Rüpel-Räuber mit Goldkette: Das Schauspiel Wuppertal zeigt einen zeitgemäßen Hotzenplotz

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von Julia Wessel

Welches Kind hat sie nicht geliebt, die Geschichten vom bösen Räuber Hotzenplotz und den gerissenen Listen der bemützten Burschen Kasperl und Seppel? Schon seit Ende November trieb der Räuber sein Unwesen im Theater am Engelsgarten, bevor er mit Sack und Pack umzog – auf die Bühne des Opernhauses. Dort ist das diesjährige Familienstück des Wuppertaler Schauspielensembles nach dem beliebten gleichnamigen Kinderbuch von Otfried Preußler nur noch wenige Male zu sehen, bevor es zum Engelsgarten zurückkehrt.

Gleich zu Beginn des Stücks geschieht der berüchtigte Überfall: Der grob-poltrige Hotzenplotz raubt der entsetzten Großmutter (endlich wieder dabei: Julia Wolff) ihre liebste Kaffeemühle. Angesichts der ratlosen Polizei ist es nun an Kasperl und Seppel, den Räuber zu stellen und für Gerechtigkeit zu sorgen – und die haben auch schon einen Plan…

Drei verschieden große Holztürme werden dem Wuppertaler Ensemble unter Turnen und Klettern zur Spielfläche und lassen die verschiedenen Schauplätze in Sekundenschnelle erscheinen und verschwinden. Es wird gedreht und gewirbelt, die Figuren purzeln aus den offenen Türen und stolpern tollpatschig über ihre eigenen Füße – allen voran Martin Petschan und Konstantin Rickert, die als Kasperl und Seppel ein wahrhaft komisches Duo voller Energie und endloser Begriffsstutzigkeit abgeben. Ihre komödiantischen Auftritte nehmen immer wieder slapstickähnliche Züge an, ohne sich zu sehr in Albernheit zu verlieren. Doch auch Alexander Peiler scheint sich in der Rolle des verlebten, aber im Grunde recht harmlosen Räubers mehr als wohl zu fühlen. Sein in Mitleidenschaft gezogener Anzug ist, wie auch Teile der übrigen Kostüme und des Bühnenbildes, mit einem wilden Holzmuster übersät. So wird die ganze Bühne zum Wald – ohne einen einzigen Baum.

Das diesjährige Familienstück des Schauspiels Wuppertal überzeugt neben der detailverliebten Ausstattung vor allem durch die behutsam modernisierte Umsetzung des 1962 erschienenen Kinderbuchklassikers: Ohne die schrulligen Vorlagen Preußlers vollständig zu verlassen, werden die Figuren in Jean Renshaws Inszenierung ins Heute versetzt. So trägt der Räuber Hotzenplotz eine dicke Goldkette über dem weiß gerippten Unterhemd und die unerschrockenen Knaben haben auf die Frage des Räubers, wie ihnen sein Reich gefalle, lediglich ein flapsiges „Joa, ist halt ‘ne Räuberhöhle, ne…“ übrig. Die zahlreichen Kinder im Publikum werden ohne die übliche „Seid ihr alle da?“-Manier durch kleine Interaktionen liebevoll und auf Augenhöhe einbezogen. Lautstarkes Gelächter und Zwischenrufe seitens der bis zum Showdown aufmerksamen jungen Besucher sind der beste Beweis für eine gelungene Inszenierung. Doch auch für große Kinder ist das Wiedersehen mit alten Vertrauten wie dem überforderten Wachtmeister Dimpfelmoser und dem gemeinen Zauberer Petrosilius Zwackelmann (beide mit autoritärer Ernsthaftigkeit gespielt von Miko Greza) und nicht zuletzt der zauberhaft in Szene gesetzten Fee Amaryllis (Julia Wolff) eine wahre Freude!

Foto: © Uwe Schinkel

Der Räuber Hotzenplotz

Inszenierung: Jean Renshaw
Bühne: Marc Jungreithmeier
Kostüme: Anna Ignatieva
Dramaturgie & Produktionsleitung: Peter Wallgram
Regieassistenz: Barbara Büchmann
Inspizienz: Charlotte Bischoff

Besetzung:

Kasperl: Martin Petschan
Seppel: Konstantin Rickert
Räuber Hotzenplotz: Alexander Peiler
Großmutter/ Fee Amaryllis: Julia Reznik / Julia Wolff
Wachtmeister Dimpfelmoser / Zauberer Petrosilius Zwackelmann: Miko Greza

Weitere Termine:

So. 07. Januar 2018, 16:00 Uhr, Opernhaus
Mo. 08. Januar 2018, 10:00 Uhr, Opernhaus
Mo. 08. Januar 2018, 12:30 Uhr, Opernhaus
Sa. 20. Januar 2018, 15:00 Uhr, Theater am Engelsgarten
Sa. 20. Januar 2018, 18:00 Uhr, Theater am Engelsgarten
So. 21. Januar 2018, 16:00 Uhr, Theater am Engelsgarten
Fr. 23. Februar 2018, 18:00 Uhr, Theater am Engelsgarten
Sa. 24. Februar 2018, 18:00 Uhr, Theater am Engelsgarten