Buchtipps: Literatur macht Serie

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von Lilian Engel

Mit Streamingdiensten wie Netflix, Amazon und Co. haben Serien einen ungeahnten Stellenwert in der Unterhaltungsindustrie eingenommen. Stundenlang vor dem Fernseher zu sitzen und in einem Rutsch ganze Staffeln einer Serie zu sehen ist inzwischen eine gesellschaftlich anerkannte Freizeitbeschäftigung geworden: Das sogenannte „Binge-Watching“. Enthusiasten bietet die Fülle verschiedener Produktionen ein breites Themenfeld für den regen Austausch.

Dass es sich für Serienmacher durchaus lohnen kann sich auf die Adaption von erfolgreichen Romanen oder Buchreihen zu konzentrieren, hat man spätestens mit dem durchschlagenden Erfolg der Fantasy-Serie Game of Thrones gemerkt, die auf der Buchreihe Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin basiert. Seitdem drängen immer mehr literaturbasierte Serien auf den Markt.

Wieso sollte es auch nicht so sein, immerhin haben Filme und Serien mit Büchern viel gemein: Sie sind Träger großartiger Geschichten und entführen uns in fremde Welten, lassen uns Abenteuer erleben, machen uns schaudern und regen unsere Phantasie an. Die uns dargebotenen Welten sind oft reich ausgestattet und lassen uns ob der Kreativität der Serienmacher staunen.

Immer noch eine Folge sehen zu wollen ist in etwa, wie nur noch eine weitere Seite lesen zu wollen, nur noch ein Kapitel, bevor man das Licht zum Schlafen löscht. Wir haben eine kleine Auswahl an Serien zusammengetragen die zeigen, wie gut eine Adaption in Serie sein kann. Wie so oft gilt aber auch hier: Jeder nach seinem Geschmack.

 

Philip K. Dick – The Man in the High Castle

Unter dem deutschen Titel Das Orakel vom Berge erschien der Roman 1962, die erste Staffel der Serie wurde von Amazon 2015 veröffentlicht, ihr folgten zwei weitere. Die Geschichte ist zu gleichen Teilen spannend wie auch verstörend: In einer alternativen Welt haben Japan und das Deutsche Reich den Zweiten Weltkrieg gewonnen und die USA unter sich aufgeteilt. Der Widerstand wird vor allem durch ein Buch angeheizt, das kursiert und von einer Welt erzählt, in der Japan und Deutschland den Krieg verloren haben. Geschrieben wurde es vom „Man in the High Castle“.

Wieder eine Dystopie und eine spannende Adaption der alten Historikerfrage: „Was wäre wenn…?“. Die Serie lässt sich wirklich gut gucken und ist durchgehend spannend, allerdings zieht die anhaltende Düsternis und Bedrohlichkeit auch ganz schön runter. Also, lieber in kleinen Einheiten ansehen.

Neil Gaiman – American Gods

Amerika ist das Land der vielen Völker, eine Nation der Einwanderer. Und jeder von ihnen hat seinen Glauben mitgebracht, seinen Gott. Amerika ist also voll von Göttern, großen und kleinen, alten und neuen, mächtigen und weniger mächtigen. Die alten Götter haben ein großes Problem: Die Menschen beten sie nicht mehr ausreichend an, sie sind zu sehr mit ihren neuen Göttern „Medien“ und „Technik“ beschäftigt. Wenn die alten Götter überleben wollen, müssen sie in den Krieg ziehen.

Die Serie macht von der ersten Folge an Spaß und ist ein großartiges Beispiel dafür, wie viel es ausmacht, wenn der Autor des Buches auch an der Adaption beteiligt ist. American Gods kann auf Amazon geschaut werden, eine zweite Staffel ist angekündigt.

Susanna Clarke – Jonathan Strange & Mr. Norrell

England liegt mit Frankreich im Krieg und die Magie ist lange ausgestorben. So denkt man jedenfalls, bis Mr. Gilbert Norrell der Welt von seinen Fähigkeiten berichtet. Gleichzeitig wird dem jungen Adeligen Jonathan Strange prophezeit, er würde mal ein großer Zauberer werden. Die Grenzen zwischen Fantasy und historischem Roman scheinen in der Fülle englischer Etikette zu verschwimmen, was in der BBC Miniserie wunderbar dargestellt wird. Die Serie hat eine Staffel mit sieben Folgen und kann bei Amazon gestreamt werden.

Stephen King – Under the Dome

Stell dir vor, dein Lebensraum ist plötzlich auf ein Minimum beschränkt, deine Kleinstadt völlig von der Außenwelt abgeschnitten. So geschieht es der Stadt Chester‘s Mill, über die sich plötzlich eine unsichtbare und undurchdringliche Kuppel gestülpt hat. Die Einwohner sind gefangen und müssen lernen mit den neuen Gegebenheiten zurechtzukommen. Doch wie sich herausstellt, ist die Kuppel nicht das einzige Mysterium in der Stadt. Wer auf Sci-Fi und Mystery steht, der kann sich von Under the Dome ganz gut berieseln lassen, auf dem Menü stehen 39 Episoden in drei Staffeln.

Margaret Atwood – The Handmaids Tale

Sie tragen rote Kleider und Umhänge, dazu weiße Hauben, die ihr Gesicht bedecken. Wenn sie mit gesenktem Kopf an anderen Menschen vorbeigehen, wissen diese sofort: Sie sind die Mägde, sie tragen die Frucht, sie können noch Kinder gebären. Ein Segen und ein Fluch zugleich, denn alles hat seinen Preis und jeder seinen Platz. Nur nach und nach erfahren wir von der Magd Desfred, wie die Gesellschaftsstrukturen in dieser von Margret Atwood geschaffenen, dystopischen Zukunft funktionieren und was dazu geführt hat, dass niemand mehr frei und jeder in Gefahr ist.

Mit einer beeindruckenden Starbesetzung (u.a. Elisabeth Moss (Mad Men), Joseph Fiennes (Luther), Alexis Bledel (Gilmore Girls) und unter den wachsamen Augen von Margaret Atwood persönlich gedreht, verspricht die Adaption ein spannendes Binge-Watch-Erlebnis. Seit dem 4. Oktober kann man die Serie bei Entertain sehen.

Jay Asher – Tote Mädchen lügen nicht

Hannah Baker ist ein ganz normales 17-jähriges Highschool Mädchen, als sie sich umbringt. Doch warum hat sie das getan? Das erklärt sie einer Reihe von Mitschülern auf Kassetten, die sie vor ihrem Tod für sie aufgenommen hat. Jede Kassette handelt von einem von ihnen und was er oder sie Hannah angetan hat, wie sie sie in den Tod getrieben haben. In der Serie begleitet der Zuschauer Clay Jensen, der nach und nach Hannahs Geschichte nacherlebt.

Das Buch wurde 2007 veröffentlicht und hat seither viele Debatten über Nutzen und Wirkung von Büchern verursacht, in denen das Thema Selbstmord aufgegriffen wird. Zentral ist allerdingt die Thematisierung von Bullying und Sexualität an der Schule und unter Jugendlichen. Die Serie könnt ihr bei Netflix sehen, eine zweite Staffel ist geplant.

Sir Arthur C. Doyle – Sherlock

Basierend auf Sir Arthur Conan Doyles Kriminalroman-Reihe, wurde hier alter Stoff wunderbar in die Moderne gehoben. Der exzentrische Lebemann Sherlock Holmes löst zusammen mit seinem Mitbewohner und Freund, dem aus dem Militärdienst entlassenen Dr. John Watson, Kriminalfälle. Die Umsetzung der BBC unter der Leitung von Dr. Who-Produzent Steven Moffat und Mark Gatiss überzeugt mit cleverem Witz, spannenden Fällen und liebevoll gespielten Charakteren. Ihr könnt 13 Folgen in vier Staffeln genießen, die momentan auf Netflix online sind. Bei dieser Serie lohnt es sich besonders auf den O-Ton umzustellen.

Douglas Adams – Dirk Gently’s holistische Detektei

Alle Ereignisse hängen miteinander zusammen, alles ist verbunden! Wer Per Anhalter durch die Galaxis kennt, hat vielleicht eine ungefähre Vorstellung davon, wie abgedreht Geschichten von Douglas Adams sind. Hier ist es nicht anders: Im Leben von Todd Brotzman (Elijah Wood) läuft gerade wirklich alles mies. Er hat Schulden, er verliert seinen Job, seine Schwester ist krank und er scheint wahnsinnig zu werden, denn er hat sich selbst gesehen. Es wird nicht besser, als Dirk Gently bei ihm auftaucht und ihn bei der Aufklärung eines Mordfalls als seinen Assistenten einstellen möchte. Eine abenteuerliche Reise beginnt, Zeitreisen nicht ausgeschlossen, Kätzchen erwünscht.

Staffel eins ist mit acht folgen bei Netflix online, eine zweite Staffel läuft aktuell in den USA an. Die Vorlage für die Serie liefert Douglas Adams Roman Der elektrische Mönch, den Adams selbst als „Geister-Horror-Wer-ist-der-Täter-Zeitmaschinen-Romanzen-Komödien-Musical-Epos“ beschrieb.

Lucy Maud Montgomery –Anne with an E.

Der Klassiker der kanadischen Kinderbuchliteratur, wunderschön neu interpretiert und besonders gut für die dunkle Jahreszeit geeignet. 1890 wird das Waisenkind Anne Shirley ausversehen zu dem betagten Geschwisterpaar Matthew und Marilla Cuthbert geschickt, die eigentlich einen Jungen adoptieren wollten, der ihnen auf dem Hof hilft und dem sie einmal Green Gables hinterlassen können. Anne bringt unerwartet Liebe, Wärme und Phantasie in das etwas eingerostete und bittere Leben der Cuthberts und so darf sie bleiben.

Die Geschichte und ihre Darstellung rühren das Herz ohne dabei kitschig zu sein und es fällt schwer zu glauben, dass die Hauptdarstellerin Amybeth McNutty hier wirklich nur eine Rolle spielt und nicht wirklich Anne ist. Die sieben Folgen der ersten Staffel findet ihr auf Netflix.

Margaret Atwood – Alias Grace

Mit der Miniserie Alias Grace (sechs Folgen) bringen wir eine weitere Adaption eines Margaret Atwood Romans auf´s Tableau, an der die Autorin wiederum beratend mitwirkte. Erzählt wird die Geschichte der jungen Grace Marks, die angeklagt wurde zusammen mit dem Stallburschen ihren Dienstherren und die Haushälterin ermordet zu haben. Während der Bursche hingerichtet wird, bekommt Grace lebenslange Haft. Um ihre Begnadigung zu erwirken, trifft sich ein junger Psychologe mit ihr und lässt sich ihre Geschichte erzählen. Ist sie schuldig oder ist sie es nicht? Ist sie wahnsinnig oder gesund?

Mit viel Liebe zum Detail wird hier nicht nur eine spannende Kriminalgeschichte erzählt, sondern auch ein Einblick in das Leben einer Frau im 19. Jahrhundert gewährt. Die Serie gibt es bei Netflix, sie hat insgesamt etwa fünf Stunden Laufzeit.