Endlich wieder Kultur erleben: Dazu lädt ab diesem Wochenende der Kultursommer im Freibad Mirke ein, den Csilla Letay und Julian Dell vom Wuppertaler Veranstaltungskollektiv ‚Salon Knallenfalls‘ organisieren. Unter freiem Himmel und vor besonderer Kulisse finden Lesungen, Kabarett, Comedy und Konzerte mit lokalen und bundesweit bekannten Künstler*innen statt – all dies „live im Becken“ und natürlich unter den aktuell geltenden Corona-Schutzverordnungen.

Sie marschieren im Kreis, recken ihre Demoschilder in die Höhe. „Gewalt ist keine Lösung“, „Revolte“, „Make love, not war“, „Arbeiter aller Länder, vereinigt euch“, rufen die drei Figuren abwechselnd in ihre Megaphone. Die paradoxe Mischung verschiedener Parolen kommt schließlich auf einen gemeinsamen Nenner: „Widerstand, Widerstand …!“ Einsatz für die gute Sache bedeutet Widerstand gegen – gegen was eigentlich? Was in bester Absicht geschieht, droht zur sinnentleerten Pose zu verkommen: So ergeht es auch Svenja, einer der zentralen Figuren in Nora Abdel-Maksouds Café Populaire. In ihrer Satire nimmt sich die Autorin den überholt geglaubten Klassenbegriff vor und führt die selbstgefällige ‚Aufgeklärtheit‘ eines kulturaffinen Bildungsbürgertums ad absurdum. Am Schauspiel Wuppertal ist das Stück derzeit unter der Regie von Maja Delinić in einer bissigen, doppelbödigen Inszenierung im Stream zu erleben.

von Larissa Plath

Neue Wege ist das Schauspiel Wuppertal mit der Inszenierung des alljährlichen Familienstücks gegangen: Wirbelte in der letzten Spielsaison der kleine Lord vor den Augen des Publikums über eine kunterbunte Bühne, so ist mit Henner Kallmeyers Robin Hood das aktuelle Stück dank einer Aufzeichnung der internen Premiere als Stream von zu Hause aus erlebbar. Für ihre Mission hat die Heldin der Geschichte, Robin von Locksley, viel Zuspruch erhalten – wen wundert es da, dass die mutige Prinzessin samt ihrer tatkräftigen Mitstreiter an diesem Samstag erneut loszieht und bei der Gelegenheit sicher noch dem einen oder anderen Wohnzimmer einen Besuch abstattet.

von Larissa Plath

Sie haben sich gut eingerichtet in ihrer Komfortzone, die Figuren in Ingrid Lausunds Stück: Irgendwo zwischen einem Hang zur Weltverbesserung, missionarischem Eifer, divenhafter Selbstinszenierung und ironischer Skepsis bewegen sich Christine, Eckhard, Eva, Leo und Rainer. Allesamt sind sie Schauspieler, gemeinsam proben sie für eine Benefizveranstaltung, bei der Spenden für ein Schulprojekt in Afrika gesammelt werden sollen. Dem Engagement für die gute Sache kommt – bei manchen mehr, bei manchen weniger – neben Unkenntnis auch das eigene Geltungsbedürfnis in die Quere und so werden die Proben zum individuellen Schaulauf. Unter der Regie von Anna-Elisabeth Frick hat das Schauspiel Wuppertal Lausunds bitterböse Satire in einer lebhaften, in ihrer ernsten Thematik treffenden Inszenierung im Theater am Engelsgarten präsentiert.

von Larissa Plath

Die Wuppertaler Literatur Biennale findet in diesem Jahr rein digital statt und auch die Auf der Höhe-Redaktion verfolgt die Lesungen und Vorträge per Livestream von zu Hause aus. Berichtet wird trotzdem, denn ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Formate: Stift und Notizblock liegen parat, um individuelle Eindrücke, Beobachtungen und Gedanken zu den einzelnen Veranstaltungen in Form eines „Logbuchs“ festzuhalten. Wo die literarische Reise hingeht und welche (Um-)Wege die Gedanken der Redakteur*innen dabei nehmen, kann man im Folgenden nachlesen.

„Wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, dann wird es im letzten Akt abgefeuert“, schrieb einst der russische Schriftsteller Anton Tschechow. In Edward Albees zum modernen Klassiker avancierten Ehekrieg-Stück kommt körperlich niemand zu Schaden – das Gewehr, mit dem George auf seine Frau Martha und die beiden Gäste zielt, entpuppt sich an diesem Abend als Regenschirm –, dass die Konfrontation eine ganz eigene zerstörerische Kraft entwickelt, ist hinlänglich bekannt. Wer hat Angst vor Virginia Woolf? wurde 1962 uraufgeführt, ist zigfach adaptiert worden und taucht regelmäßig auf Spielplänen auf. Warum Albees Stück trotzdem noch immer zu fesseln vermag, demonstriert die aktuelle Inszenierung des Wuppertaler TalTonTHEATERS.

von Larissa Plath

„Denker. Macher. Wuppertaler.“ – das Friedrich Engels gewidmete Motto des Jubiläumsjahres ENGELS 2020 würde sich wohl auch Wilhelm Dreißiger ohne zu zögern auf die Fahne schreiben, wenn es darum geht, sich selbst zu charakterisieren. Als Kopf von „XXX Dreißiger Logistics“ weiß er die Leitsätze seiner Unternehmensphilosophie unter die Leute zu bringen – sei es in Form von unübersehbaren Werbebannern („Work hard. Have fun. Make history.“) an der Fassade des Opernhauses oder pseudo-authentischen Imagefilmen, in denen sich seine betont heiteren Angestellten über ihre Arbeit bei Dreißiger Logistics äußern und Bürger*innen den dadurch entstandenen Mehrwert für die Stadt bekräftigen. Aus Hauptmanns Fabrikant ist ein visionärer Jungunternehmer geworden, statt ins Industriezeitalter des 19. Jahrhunderts führt Martin Kindervaters Inszenierung die Weber ins digitale Zeitalter der Gegenwart. Dorthin, wo Logistikbranche und Online-Handel nicht erst in diesen Tagen die Gewinner sind und soziale Ungleichheit an der Tagesordnung ist.

von Larissa Plath

Friedrich Engels hielt seine „Elberfelder Rede“ 1845, Gerhart Hauptmanns Stück Die Weber erschien 1892. Beide thematisieren die soziale Frage, prangern die negativen Auswirkungen des Industriezeitalters und die prekären Lebensumstände von weiten Teilen der Bevölkerung an. Wie lässt sich die soziale Frage vor diesem Hintergrund im Hier und Jetzt in Wuppertal stellen? Diesem Gegenstand widmet sich das Schauspiel Wuppertal im Jubiläumsjahr ENGELS 2020 mit seiner Inszenierung von Hauptmanns Die Weber.

von Larissa Plath

„Was ist ein spannendes Thema, Sokrates?“ Die Antwort des griechischen Philosophen folgt umgehend: „Die Liebe!“ Da können Platon, Aristophanes und die anderen anwesenden Denker nur zustimmen. Und wie sollte man sich diesem spannenden Thema besser nähern, als mit Shakespeares Drama Romeo und Julia, dem Inbegriff der alle Hindernisse überwindenden Liebe? Dem einleitenden Szenario in Anlehnung an Platons Symposion folgt eine assoziativ komponierte Inszenierung unter der Regie von Nicolas Charaux, der den zuweilen überstrapazierten Tragödien-Klassiker als zeitgemäßes Bildtheater präsentiert.

von Larissa Plath

Gottfried Benn bezeichnete ihn als „den gewaltigsten Gedankenstrich der deutschen Literaturgeschichte“: An entscheidender Stelle gesetzt, wird das simple Satzzeichen in Heinrich von Kleists Novelle Die Marquise von O…. zur bedeutungsschwangeren Leerstelle. Deren Tragweite offenbart sich erst später, so auch auf der Bühne im Theater am Engelsgarten, wo die eigentliche Bedeutung der Auslassung im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln liegt. Just im kritischen Moment gehen die Lichter aus, Warteschleifenmusik dudelt im Hintergrund, all das geschieht en passant, bis die Erzählung wieder aufgenommen wird – und das Publikum im Laufe dieses ersten Premierenabends der neuen Spielzeit erfährt, was sich zugetragen hat.

von Larissa Plath