Die Kurzprosa- und Lyrik-Autorin Louise Juhl Dalsgaard nähert sich in ihrem ersten Roman Genug, der 2021 im Picus Verlag erschienen ist, auf poetische Weise der Gefühlslage einer jungen Frau, die auf dem Weg zur Genesung ihrer Essstörung ist. Der von Gerd Weinreich aus dem Dänischen übersetzte Roman bietet Humor und Hoffnung, aber auch Hilflosigkeit und Depressivität. Die Autorin schafft es, den Leser*innen ein kritisches, immer noch aktuelles Thema mit einer wunderbaren Leichtigkeit zu vermitteln und nimmt sie mit auf die Reise in die Psyche der Protagonistin, die sich wie ein Puzzle nach und nach zusammensetzt.

von Sina Thamm

Jean de La Fontaine sagte einmal: „Das Schicksal ereilt uns oft auf den Wegen, die man einschlägt, um ihm zu entgehen.“ Diese Erfahrung müssen auch die fünf Protagonisten in Wolfgang Popps 2015 erschienenen Roman Die Verschwundenen (Edition Atelier) machen. Mitten im Leben brechen sie auf einmal alle Kontakte ab und tauchen unter, um fernab ihrer Heimat einen Neustart zu wagen. Erst Jahre später tauchen sie plötzlich wieder auf – entweder zufällig oder das Schicksal zwingt sie, sich an die damals Zurückgelassenen zu wenden. So wird das einst auserwählte Exil zum Schauplatz von überraschenden Wiederbegegnungen zwischen zurückhaltenden Zauderern, feinsinnigen Exzentrikern und skurrilen Sonderlingen.

Von Fiona Schwarz

Paris – eine Stadt, die unumstößlich und unweigerlich mit bestimmten Bildern und besonders mit einer bestimmten Thematik verbunden ist: Liebe. Auch in Anne Garrétas SPHINX gibt es in dieser Hinsicht keinerlei Überraschung. Der Roman, der bereits 1986 auf Französisch und 2016 dann in der deutschen Übersetzung von Alexandra Baisch erschien, erzählt die Geschichte zweier Liebender.

von Wiebke Martens

Als es darum ging, das Thema für unsere Patenschaft bei der aktuellen Runde der Indiebookchallenge auszuwählen, schien das Motto „Lies ein Buch ohne den Buchstaben ‚A‘ im Titel“ eine machbare Herausforderung zu sein. Auf’s A lässt es sich doch sicher verzichten, viel eher noch als auf das E (der häufigste Buchstabe in deutschen Texten sowie in diversen europäischen Sprachen). Und selbst das ist möglich, man denke nur an Georges Perecs Roman-Experiment La Disparition von 1969: ein Buch, in dem Perec komplett ohne den Buchstaben E auskommt.

von Larissa Plath

Es war Ende der Achtziger, als die Schriftstellerin Najat El Hachmi mit ihrer Mutter Marokko verließ, um ihrem Vater nachzuziehen, der damals bereits eine Zeitlang nahe Barcelona lebte. Es war dieselbe Zeit, ebenfalls Ende der Achtziger, als sich in Saragossa – gar nicht allzu weit entfernt von der katalanischen Metropole – die Jungs von „Héroes del Silencio“ um ein Blatt Papier versammelten und eine der großen Hymnen der spanischen Rockgeschichte niederschrieben: Entre dos tierras – zwischen zwei Welten. Es ist nicht überliefert, ob El Hachmi, die mittlerweile sechs Bücher auf Katalanisch geschrieben hat, das Lied der „Héroes del Silencio“ auf ihrer Reise ins neue Leben gehört haben könnte. Für die namenlose Protagonistin ihres kürzlich auf Deutsch erschienenen Romans Eine fremde Tochter (Orlanda-Verlag, übersetzt von Michael Ebmeyer) könnte „Zwischen zwei Welten“ aber jedenfalls ein Lebensmotto sein: Die junge Frau, gerade mit der Schule fertig, lebt hin- und hergerissen zwischen den traditionellen marokkanisch-berberischen Werten ihrer Mutter, mit der sie eine winzige Wohnung in der katalanischen Kleinstadt Vic bewohnt, und dem verheißungsvollen Leben der europäischen Jugend, das sich im nahen Barcelona konzentriert.

von Jascha Winking

Die Ausgangssituation erscheint simpel: Der*die namenlose Erzählerin schreibt für ein Frauenmagazin den Fortsetzungsroman und hat nun, nachdem die Situation sich seit Längerem darauf zugespitzt hat, ein vom Chefredakteur gefordertes Ende der Geschichte verfasst. Doch hier hört es schon auf mit dem Simplen und das Seltsame betritt die Bühne. Denn irgendetwas scheint mit dem Ende der Geschichte nicht in Ordnung zu sein. Warum sonst findet sich ihr*e Verfasser*in in einem Verhör wieder, wird beschuldigt, am Verschwinden einer Person beteiligt zu sein? Handelt es sich etwa doch, wie von der*dem Verfasser*in befürchtet, um mehr als bloße Fiktion?

von Kerstin Kiaups

Die folgende Kurzgeschichte wurde über den Verlauf mehrerer Monate seit Beginn der Corona-Pandemie verfasst. Es handelt sich um einen Text, der sich an der Entstehungsart des ‚Cadavre Exquis‘ orientiert: Bei dieser im Surrealismus entwickelten Methode erzählen mehrere Schreibende nacheinander ein Fragment einer Geschichte, ohne jedoch zu wissen, was im vorangehenden Teil steht. Für den Start wurden die Stichworte „Handschuh“, „Reise“ und „Hamster“ festgelegt – und das ist daraus geworden:

Die Steilküste am Nordende der Muschelbucht, an der Kalsul herumkletterte, war feucht und rutschig und stank nach Vogelkacke. Fünfzig Längen unter ihr manscht das Meer an die Felswand, grau in grau und so träge, als hätte es heute auch keine Lust, sich zu bewegen, genauso wenig wie sie.

Erwischt.
Hier gibt es zwar weder Steilküsten, noch Buchten oder gar ein Meer und es riecht nach Tannenbaum und Tee, aber träge, das bin ich auch. Außer des Tees habe ich ein Buch, das ich vor ein paar Tagen angefangen habe, mit in mein Decken-Nest genommen: Andreas Eschbachs neuesten Roman Eines Menschen Flügel, der Ende September 2020 erschienen ist. Bisher lag der dicke Wälzer anklagend auf dem Bücherregal, denn zu viele Lektüren wollten vorher noch abgeschlossen werden. Aber jetzt, endlich, als der Regen grau in grau vor die Fensterscheiben manscht, ist es so weit.

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von Lara Ehlis