Heldin gesucht: Das Schauspiel Wuppertal streamt „Robin Hood“

Im Mittelpunkt des Geschehens: Robin von Locksley (Annou Reiners). Foto: Uwe Schinkel

Neue Wege ist das Schauspiel Wuppertal mit der Inszenierung des alljährlichen Familienstücks gegangen: Wirbelte in der letzten Spielsaison der kleine Lord vor den Augen des Publikums über eine kunterbunte Bühne, so ist mit Henner Kallmeyers Robin Hood das aktuelle Stück dank einer Aufzeichnung der internen Premiere als Stream von zu Hause aus erlebbar. Für ihre Mission hat die Heldin der Geschichte, Robin von Locksley, viel Zuspruch erhalten – wen wundert es da, dass die mutige Prinzessin samt ihrer tatkräftigen Mitstreiter an diesem Samstag erneut loszieht und bei der Gelegenheit sicher noch dem einen oder anderen Wohnzimmer einen Besuch abstattet.

von Larissa Plath

Dabei sieht es zunächst nicht so aus, als ob Robin von Locksley (Annou Reiners), ihres Zeichens Nichte des englischen Königs, in die Fußstapfen des legendären Robin Hood treten will, geschweige denn überhaupt an ihn glaubt. „Ich dachte den gibt’s nur im Märchen!“, ruft die Prinzessin erstaunt. Weit gefehlt, schließlich ist sie nach eben jenem sagenumwobenen Helden benannt, der in der Vergangenheit seine Tatkraft bewies und der zurückkehrt, wenn das Land in Gefahr ist. Diese naht in Gestalt des normannischen Fürsten Guy Gisborne (Kevin Wilke mit Lucius-Malfoy-Frisur). Nachdem der König in den Tower gesperrt ist, sieht sich Gisborne schon als neuer Herrscher. Wäre da nicht Robin, die sich auf Anraten ihrer Amme (Silvia Munzón López) und der Wächterin (Nora Krohm) auf die Suche nach ihrem Namensvetter macht … und dabei selbst zur Heldin wird.

Hinter den Palastmauern ist der durch Blätter- und Baum-Kulissen angedeutete Wald von Sherwood zu erahnen, in den es Robin verschlägt. Wo Lichtwechsel, über die Bühne ziehende Nebelschwaden und geheimnisvolle Schatten für eine märchenhafte Atmosphäre sorgen, lassen ungewöhnliche Begegnungen nicht lange auf sich warten. Allen voran wäre da der findige Taschendieb Mario zu nennen, eine männliche Maid Marian-Version und das Pendant zur weiblichen Heldin Robin von Locksley. Auf der Flucht vor dem Gesetz kreuzt Mario ihren Weg, tauscht kurzerhand mit ihr die Kleidung (wer könnte unverdächtiger sein als ein Taschendieb im Prinzessinnenkleid?) und wird zu Robins treuen Weggefährten. Digby und Dagby (Kevin Wilke und Silvia Munzón López), erster und zweiter Ausrufer des Königs, stolpern auf den Spuren der gesuchten Prinzessin durch den Wald und geben in ihrer grenzenlosen Unfähigkeit ein besonders komisches Paar ab. Und dann ist da noch ein geheimnisvoller Mönch (Alexander Peiler), von dem Robin in die Kunst des Schwertkampfes eingeweiht wird. „Bevor du das Schwert meisterst, musst du lernen, dich selbst zu meistern“ – das gilt nicht nur für Jedi-Ritter, sondern auch für Prinzessinnen/Nachwuchsheldinnen.

Auch in dieser Spielzeit inszeniert das bewährte Team um Henner Kallmeyer (Regie), Franziska Gebhardt (Bühne) und Silke Rekort (Kostüme) das Familienstück. Den Wuppertaler Robin Hood hat der Regisseur eigens zu diesem Anlass geschrieben. Geschickt werden Figurenkonstellationen und Handlungsmuster der bekannten Legende adaptiert und in eine kindgerechte, zeitgemäße Form gebracht: Wenn Not am Mann ist, braucht es in Kallmeyers Version eine junge weibliche Heldin, die all ihren Mut zusammennimmt und mit der Unterstützung einiger liebenswürdiger Figuren über sich hinauswächst. Annou Reiners zeigt eine charmant-aufgeweckte Robin und liefert besonders im Zusammenspiel mit Martin Petschan in der Rolle des gewitzten Sidekick Mario überzeugende Szenen. Stimmungsvoll unterstützt wird das Geschehen auf der Bühne von einem opulenten Soundtrack – komponiert von Korrepetitor William Shaw und eingespielt vom Wuppertaler Sinfonieorchester –, der an vielen Stellen eine ganz eigene, fantastische Wirkung entfaltet.

Das knapp einstündige Theatererlebnis vergeht wie im Flug und bereitet kurzweiliges Vergnügen. Gerade in diesen Tagen dürfte Robins Abenteuer für kleine und große Zuschauer eine willkommene Abwechslung darstellen.


Robin Hood
von Henner Kallmeyer
Musik von William Shaw
in Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester Wuppertal

Termine:

Sa. 23. Januar 2021 19:30 Uhr (Zusatzveranstaltung)

Die Tickets für den Stream können bis eine Stunde vor Beginn im Vorverkauf erworben werden. Danach ist die Aufzeichnung als Video-on-Demand 24 Stunden lang verfügbar.

Inszenierung: Henner Kallmeyer
Musikalische Leitung: William Shaw
Bühne: Franziska Gebhardt
Kostüme: Silke Rekort
Bühnenkampf: Klaus Figge
Dramaturgie: Elisabeth Wahle
Regieassistenz: Johanna Landsberg
Inspizienz: Stefanie Smailes
Produktionsleitung: Peter Wallgram
Regiehospitanz: Carina Jungbluth

Besetzung:

Annou Reiners: Robin von Locksley, eine Prinzessin
Martin Petschan: Marion, ein Taschendieb
Alexander Peiler: Sheriff von Nottingham / ein geheimnisvoller Mönch
Kevin Wilke: Digby, erster Ausrufer des Königs / Guy Gisborne
Silvia Munzón López: Dagby, zweiter Ausrufer des Königs / Amme
Nora Krohm, Yulia Yáñez Schmidt: Wächterin
Tim Alberti, Aline Blum, Flora Li: Neumondhexe

Musiker*innen des Sinfonieorchester Wuppertal