Plädoyer für ein kreatives Intermezzo

Trotz der zweiten Spazierrunde durch den Park nehmen die Gedankenwirbel abends einfach kein Ende, das tägliche, stundenlange Sitzen vor dem Bildschirm trägt dazu bei, dass das Hirn völlig überreizt ist. Man macht es sich auf der Couch bequem, kann sich aber nicht auf die Serie einlassen, die mit ihren Bildern und Geräuschen auf einen eindudelt. Der Griff geht reflexartig zum Handy, man aktualisiert zum fünften Mal innerhalb der letzten halben Stunde den Instagram-Feed, der auch nichts Neues mehr anzubieten hat. Um diesem Kreislauf zu entrinnen und den Augen einen anderen Anblick als den von unterschiedlich großen Bildschirmen zu gönnen, hier mein Vorschlag: Bastelt! Strickt! Beschäftigt eure Hände, entspannt euer Gehirn!

IMG_7727von Lara Ehlis

Die Corona-Pandemie hat bei vielen Menschen dazu geführt, dass Arbeits- und Privatleben verschmelzen, da beides auf demselben – teilweise nicht sehr großen – Raum stattfindet. Die screen time nimmt zu, während die körperliche Bewegung abnimmt: Fitnessstudios sind geschlossen, motivierender Vereinssport kann nicht stattfinden und, seien wir mal ehrlich, bei -2 Grad Außentemperatur alleine joggen zu gehen, erfordert einiges an Selbstdisziplin. Wenn nach einem Arbeitstag voller Video- oder Telefonkonferenzen der Feierabend naht, verlagert man den unausgelasteten Körper samt überreiztem Gehirn auf das Sofa, wo das Monkey Mind keine Ruhe findet.

Wie wäre es, den rastlosen Händen etwas anderes zu tun zu geben, als nebenbei sinnlos auf Social Media-Kanälen zu surfen? Etwas, das mit ein wenig Übung quasi nebenbei stattfinden kann? Dessen Resultate hübsch anzusehen und/oder nützlich sind? Die folgenden Vorschläge sind für diejenigen Menschen unter uns, die eben nicht einfach stillsitzen und entspannen können:

Stricken kann – von den anfänglichen Schwierigkeiten mit zu engen Maschen und unkooperativer Wolle einmal abgesehen – einen nahezu meditativen Zustand hervorrufen. Für absolute Anfänger*innen wie mich reicht schon das Wiederholen rechter Maschen aus, um für Beschäftigung und ein ungekanntes Erfolgserlebnis zu sorgen, was durch die Herstellung eines anfangs recht unförmigen Lappens hervorgerufen wird. Startprobleme können dank Schritt-für-Schritt-Anleitungen auf YouTube oder mithilfe von in die Strickkunst eingeweihten Freund*innen oder Familienangehörigen überwunden werden. Unternehmen wie We are Knitters oder Wool and the Gang haben, für Neulinge und alte Hasen gleichermaßen, Sets in petto, die von der Anleitung über die Nadeln bis hin zur für das ausgewählte Strickprojekt benötigten Wolle alles bereithalten. Natürlich kann auch der lokale Handarbeitsladen unterstützt werden, denn dort gibt es garantiert zusätzlich zu den benötigten Utensilien wertvolle Tipps gratis dazu. Außerdem ist Stricken unglaublich gemütlich, passt wunderbar in die kalte Jahreszeit und ein selbst hergestellter Schal ist etwas ganz Besonderes – und ein tolles Weihnachtsgeschenk!

Wer nicht nur die eigene oder fremde Garderobe durch Strickartikel erweitern, sondern auch das heimische Nest verschönern möchte, dem sei das Falten von Fenstersternen wärmstens ans Herz gelegt. Das Internet hält zahlreiche Anleitungen (z. B. hier) bereit, deren Resultate am Fenster eine gute Figur machen. Die Dauer der Herstellung der Sterne variiert je nach Schwierigkeitsgrad des ausgewählten Musters, da aber für jeden Stern mehrere Blätter Transparentpapier kunstvoll gefaltet werden müssen, sorgt der (im positiven Sinne) repetitive Bewegungsablauf dafür, dass der Kopf zur Ruhe kommt. Noch ein Pluspunkt: Die Sterne bieten eine ganz neue Motivation, endlich einmal wieder die Fenster zu putzen, was man dann von der Vor-Weihnachten-To-Do-Liste streichen kann.

Ganz davon abgesehen, dass kreative Betätigungen eine schöne Art der Beschäftigung bieten, bei der man sich ganz auf sich selbst konzentrieren kann, eignen sie sich außerdem wunderbar dafür, um mit Freund*innen oder Verwandten Erfahrungsaustausch zu betreiben und sich Tipps geben zu lassen – so erhielt ich beispielsweise den wertvollen Hinweis, mir zum Falten der Sterne ein Falzbein zuzulegen. Wer am Ende des Tages doch den Blick nicht von Instagram und Co. lassen kann, findet auch dort Communities, in denen reger Austausch an Mustern, Inspirationen, Anleitungen und Bildern herrscht.