Olga Grjasnowa – Der Russe ist einer, der Birken liebt

Olga Grjasnowa, geboren in einer russisch-jüdischen Familie in Baku in Aserbaidschan, schrieb im Jahr 2012 ihren Debütroman Der Russe ist einer, der Birken liebt. Sie kam als 11-jährige Migrantin mit ihren Eltern nach Deutschland. Die junge Autorin äußerte sich am 25. März 2017 in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung darüber, dass Menschen mit Migrationshintergrund ausgegrenzt werden, obwohl diese Personen seit Längerem in Deutschland leben. Dies ist auch einer der Gründe, weswegen sie mit der Integrationspolitik unzufrieden ist und unter anderem politische Aspekte sowie Diskriminierung in ihren gesamten Romanen verarbeitet. Sie befürwortet somit eine Gesellschaft, in der Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen miteinander leben können.

mary von Anthoula Hatziioannou

Der Roman spielt zu Beginn in der Stadt Frankfurt, in der Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen leben. Die Hauptperson Mascha Kogan, die eine migrierte Russin und gleichzeitig die Erzählerfigur ist, lebt mit ihrem deutschen Freund Elias in einer baufälligen, heruntergekommenen Gegend. Ihr derzeitiger Wohnort Frankfurt befindet sich inmitten von Pornokinos, Billigkaufhäusern und Jugendzentren, wo jeden Morgen Verkäufer an ihren Ständen schreien.

Mascha ist als kleines Kind mit ihrer Familie nach Deutschland ausgewandert, weil in Bergkarabach ein Bürgerkrieg zwischen Aserbaidschanern und Armeniern ausgebrochen ist. Sie ist mit elf Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland ausgewandert, gleichzeitig ist sie auch Aserbaidschanerin und Russin. Sie wird daher als heranwachsende junge Frau immer mit ihrer Herkunft konfrontiert. Mascha eignet sich viele Sprachen an, absolviert ihr Dolmetscherstudium und schreibt sich für die Masterprogramme Arabistik und Dolmetscherwissenschaften ein. Ihr Ziel ist es, eine Karriere bei der UNO zu machen.

Die weibliche Hauptperson ist aber nicht die Einzige, die mit ihrer Herkunft konfrontiert wird. Ihr Freund Cem lebt seit seiner Geburt in Frankfurt und studiert auch, obwohl er als Kind wegen seines türkischen Migrationshintergrundes auf eine Hauptschule geschickt und benachteiligt wurde:

„Und wir alle sprachen auf Deutsch, akzentfrei. Aber keiner von uns wurde als intelligent genug erachtet, um auf das Gymnasium wechseln zu können, wir sollten lieber alle auf die Hauptschule oder im besten Fall auf die Realschule. […] Später kamen die Nachfragen: Als was fühlst du dich, als Deutscher oder als Türke? Mit sechzehn musste ich zum Ausländeramt wegen der Aufenthaltsgenehmigung. Ich meine, was soll das? Ich bin hier geboren.“

Mascha wird oftmals wegen ihrer jüdisch-russischen Herkunft stigmatisiert und über die Konflikte in ihrem Heimatland ausgefragt: Sie trifft auf einer Party auf Daniel, einen deutschen Jungen, der sich einmal mit ihrem anderen Freund Sami in der Uni geprügelt hat, weil er der Überzeugung war, dass Sami Mascha unterdrücke. Daniel erklärt Mascha, was er von dem Konflikt hält, den die Juden mit den Arabern in Israel haben, und dass er auf der Seite der Juden stehe. Er fragt sie auch, was sie von der Situation als Jüdin halte, aber Mascha erwidert, dass sie nichts mit diesem Konflikt zu tun habe:

„Daniel, lass mich […] in Ruhe. Was willst du überhaupt von mir? Ich lebe in Deutschland. Ich habe einen deutschen Pass. Ich bin nicht in Israel. Ich lebe nicht dort. Ich wähle nicht dort, und ich habe keinen besonderen Draht zur israelischen Regierung.“

Sami ist Maschas erster fester Freund und ist im Libanon in der Stadt Beirut zur Welt gekommen. Er hat seine Kindheit bis zum dreizehnten Lebensjahr in Frankreich verbracht, später ist die Familie nach Frankfurt umgezogen. Als Sami älter geworden ist, ist er zu seinem älteren Bruder Paul in die USA nach Kalifornien gezogen, um dort die Schule zu beenden. Seit diesem Zeitpunkt studiert Sami in Kalifornien und pendelt zwischen Deutschland und Amerika. Er hat einen deutschen Pass, aber die Verlängerung seines Studentenvisums wird wegen seiner Herkunft fast ein Jahr lang hinausgezögert:

„Samis Studentenvisum für die USA war abgelaufen, normalerweise war so etwas eine Sache von zwei Wochen, aber wenn im Pass ein arabischer Name stand und als Geburtsort Beirut vermerkt war, konnte selbst die deutsche Staatsbürgerschaft wenig ausrichten.“

Die Probleme, die die Figuren bewältigen müssen, werden stets von außen an sie herangetragen. Die Autorin deutet auf Probleme in einer Gesellschaft hin und kritisiert diese, jedoch gibt sie keine konkrete Lösung, um diese kulturellen Barrieren zu bewältigen. Die Erlebnisse im Roman stellen zunächst einmal dar, wie die Vielfalt in einer Großstadt aussieht und was für Probleme sie mit sich führt: Die fiktiven Charaktere erleben anhand von verschiedenen Situationen, wie es sich anfühlt, nicht ein Teil der deutschen Gesellschaft zu sein.