Ausblick: Die Spielzeit 2020/21 im TalTonTHEATER

Am 12. September öffnet das Wuppertaler TalTonTHEATER in der Wiesenstraße 118 wieder seine Pforten.
Ein Gespräch mit Regisseur Jens Kalkhorst

Zurück auf Anfang – gerne würde man den Titel dieser Gesellschaftskomödie, die das TalTonTHEATER (TTT) in der kommenden Spielzeit im Programm hat, als Motto für die gesamte Theatersaison nehmen. Außer Frage steht, dass die Spielzeit 2020/21 alles andere als eine Rückkehr zum gewohnten Theaterbetrieb bringen wird. Die Unwägbarkeiten bleiben – bis zum Beginn der Saison (toi, toi, toi) und darüber hinaus. Das Wuppertaler TTT startet am 12. September mit der ersten Premiere. Trotz allem zeigt sich Regisseur Jens Kalkhorst zuversichtlich: „Es wird eine spannende Spielzeit.“

von Larissa Plath

Seit Juli probt das Ensemble des TTT wieder in der Wiesenstraße. Zu Beginn stand vor allem die Textarbeit im Mittelpunkt, inzwischen laufen die Proben, natürlich mit einigen Einschränkungen durch die Hygienevorschriften, wie gewohnt ab. Bis zum Spielzeitbeginn in knapp zwei Wochen stehen die Ein- und Ausgänge in Form von Einbahnstraßen, die 40 bis 50 Zuschauer*innen den Weg zu ihren Plätzen und nach der Vorstellung wieder hinaus weisen werden. Der Größe des Theaters entsprechend dürfe man nach aktuellem Erlass ohne Mindestabstand bestuhlen, erklärt Kalkhorst, das TTT habe aber ein eigenes Konzept mit Abstandsregeln entwickelt. Große Sprünge könne man mit der verringerten Zuschauerzahl – normalerweise stehen 86 Plätze zur Verfügung – nicht machen, hätte das Theater im Juni wiedereröffnet, wären es sogar nur 30 Plätze gewesen. Saisonbeginn hin oder her, die Situation der Theater bleibt kritisch.

„Wir haben verdammt großes Glück gehabt“, resümiert Jens Kalkhorst die aktuelle Lage im TalTonTHEATER. Die sehr erfolgreiche vergangene Spielzeit sei ihnen zu Gute gekommen, zusammen mit den Corona-Soforthilfen habe dieses Polster das Schlimmste aufgefangen. Wie das Publikum auf die veränderten Bedingungen reagieren wird, ist derzeit nicht abzusehen. Generell kämen vermehrt Nachfragen, ob und wann das Theater den Betrieb wiederaufnehme, dass das Publikum nach monatelanger Pause endlich wieder Theateratmosphäre erleben möchte, lässt der bisherige Vorverkauf vermuten. Dieser ist laut Kalkhorst „normal“ gestartet, erfahrungsgemäß würden die meisten Tickets aber ohnehin ab Oktober und bis in den März verkauft.

„Die nächste Spielzeit ist ein Testballon.“

TTT-Regisseur Jens Kalkhorst

Vorfreude herrscht nicht nur auf Seiten des Publikums, sondern auch beim Ensemble. „Die Lust zu spielen ist wieder da.“ Mit der Uraufführung der Beziehungskomödie Alle außer mir von Stefan Vögel startet das TTT in die Saison 2020/21. Kalkhorst setzt auf eine Mischung aus ernst und heiter: Auf dem Programm stehen moderne Klassiker, anspruchsvolle Gesellschaftskomödien und spannungsvolle Stücke mit Thrillerelementen. Überwogen in der Vergangenheit und gerade in der ersten Zeit nach dem Umzug in die Wiesenstraße noch die „leicht verdaulichen Stücken“, so habe sich das TTT über die Jahre hinweg ein Stammpublikum erworben, das auch ernste Themen zu schätzen weiß. Dies bestätigten nicht zuletzt ausverkaufte Vorstellungen von Arthur Millers Hexenjagd und der Erfolg des Seelenbrechers in der vergangenen Saison. Und die kommende Spielzeit? Laut Kalkhorst ein „Testballon“, bei dem sich die außergewöhnlich späte Planung des Spielplans als Glück im Unglück erwiesen hätte.

Das TTT-Programmheft für die kommende Spielzeit 2020/21

Edward Albees Wer hat Angst vor Virginia Woolf? findet darauf ebenso einen Platz wie die eingangs erwähnte philosophische Komödie Zurück auf Anfang von Eric-Emmanuel Schmitt. Mit Can Fischers Dein Leben gehört mir bringt das TTT-Ensemble einen Theaterthriller auf die Bühne. Dem klassischen Aufbau des Genres folgend, wage sich das Stück an das „diffizile Thema“ Stalking, zeige die im juristischen Sinne unscharfen Grenzen dieses Begriffs auf und biete so „bestes Infotainment“, fasst Jens Kalkhorst zusammen. Spannung verspricht auch das Stück Misery in einer auf dem Stephen-King-Klassiker basierenden Bühnenfassung von William Goldman. Aus der frühzeitig beendeten letzten Spielzeit wurden zwei Stücke mit in die neue Saison genommen: Die Komödie Frau Müller muss weg und das Schauspiel The King’s Speech – letzteres hätte allein schon wegen der Besetzungsgröße unter den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Hygieneauflagen nicht umgesetzt werden können – feiern in der zweiten Hälfte der kommenden Spielzeit Premiere im TTT. Abgerundet wird der Spielplan durch die Wiederaufnahmen der Komödie Wer ist Monsieur Schmitt und des Thrillers Der Seelenbrecher nach Sebastian Fitzek.

Spielpläne in Zeiten von Corona

Den Trend, in diesen Tagen vermeintlich coronataugliche Stücke zu bringen, sieht Kalkhorst kritisch. Theater biete den Raum, gesellschaftliche Folgen der Pandemie zu thematisieren, aktuelle Stücke über Corona neu zu schreiben und auf die Beine zu stellen brauche jedoch seine Zeit. Bis so ein Konzept stehe, gibt der Regisseur zu bedenken, sei die Relevanz möglicherweise verloren. Im modernen Regietheater an überregionalen Häusern stelle sich diese Frage nach aktuellen Bezügen vielleicht eher. „Ich arbeite fürs Jetzt“, fügt Kalkhorst hinzu, „Theater sehe ich in erster Linie als Unterhaltung“. Die emotionale Ebene sei das, was für ihn zähle. Seiner Auffassung folgend gelte es, dem „Stück zu vertrauen“ und Bilder zu erzeugen, die aussagekräftig sind und das Publikum auf welche Weise auch immer erreichen. Einen gewissen Lehrauftrag und den „Anspruch, das etwas nachklingt“ schließt das nicht aus. Ohnehin erlaube es der Pluralismus in der Theaterlandschaft, dass so verschiedene Konzepte nebeneinander existieren. „Wenn es ein Publikum gibt, hat es seine Berechtigung“, so Kalkhorst.

Ausblick

Im TalTonTHEATER hat sich die Auswahl an ernsten und heiteren Stücken als Konzept bewährt. Man habe „Abstand vom Bildungskanon genommen“, biete weniger traditionelle sondern vielmehr moderne Klassiker. Als eine Mischung aus „Suspense und Poesie“ bezeichnet Kalkhorst seinen Ansatz, der bekennende Cineast nennt Hitchcock und Chaplin seine großen Idole. Gibt es Stücke, die er in seiner Zeit am TTT unbedingt inszenieren möchte? Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame gehöre dazu, auch Macbeth oder das „schottische Stück“, wie es dem Aberglauben nach in Theaterkreisen respektvoll genannt wird. Ein wahres „Herzensprojekt“ sei die Inszenierung von Trauer muss Elektra tragen. „Und die Familie ist sowieso ein ständiges Thema bei mir“. Aber das sei alles Zukunftsmusik. Jetzt heißt es erst einmal wieder spielen.


Weitere Infos zum TTT-Spielplan und zum Erwerb der Tickets gibt es hier.