Arbeitsreiche Geschichten

Passend zum ‚Tag der Arbeit‘ empfehlen wir euch heute drei Bücher und zwei Serien, in denen es arbeitsreich zugeht: Die Bandbreite reicht vom Alltag in Redaktionen und Agenturen der 1960er Jahre über verschwundene Berufe und überflüssige Jobs bis zu, im wahrsten Sinne des Wortes, unsauberen Tätigkeiten.

Larissa empfiehlt:
Michael Frayn Gegen Ende des Morgens

Die ‚Fleet Street‘: Heute eine Straße im wirtschaftlichen Zentrum von London, galt die Gegend lange Zeit als Synonym für die britische Presse. Bei Michael Frayn wird sie zum Schauplatz seines Romans Towards the End of the Morning, der Ende der 1960er in der nicht näher benannten Redaktion einer Tageszeitung spielt. Im Mittelpunkt stehen die beiden Journalisten John und Bob und ihr eintöniger Arbeitsalltag in der Abteilung für Kreuzworträtsel und Vermischtes. Einziger Lichtblick inmitten dieser Banalitäten – neben dem Lunch in einem der nahe gelegenen Pubs – ist der Traum von der großen Fernsehkarriere.
Michael Frayn arbeitete selbst viele Jahre als Journalist beim Guardian und beim Observer. Präzise und mit einer großen Portion Ironie erzählt er von wichtigtuerischen Redakteuren, strebsamen Nachwuchsjournalisten und inhaltsleeren Talkshows, die den traditionellen Printmedien den Rang abzulaufen drohen. Der erstmals 1967 erschienene Roman entwirft das Bild einer vergangenen Zeit, an die man sich bei der Lektüre dieser lesenswerten Komödie gerne erinnern lässt und dabei so manche Ähnlichkeiten zur Gegenwart entdeckt (vielleicht nur ohne die obligatorische Zigarette im Büro und die Drinks während der Mittagspause).

Anthoula empfiehlt:
David Graeber Bullshit-Jobs

In einer Gesellschaft, in der mittlerweile vieles durch die neuartige Technologie und Maschinen gesteuert wird, entstehen immer mehr Arbeitsplätze und Jobs, die keinen Mehrwert haben. Graeber stellt fest, dass die Arbeitsstunden trotz dieses positiven Fortschrittes steigen anstatt zu sinken und Menschen überflüssige Tätigkeiten und Jobs machen, die keinen Sinn ergeben. Diese sogenannten Bullshit-Jobs führt Graeber in seinem Buch aus und erklärt in seiner Theorie das Phänomen und die Entwicklung dieser Jobs. Trotz der vielen theoretischen Ansätze ist es ein sehr ansprechendes Buch, das zum Nachdenken über heutige Entwicklungen des Arbeitsmarktes anregt.

Kerstin empfiehlt:
Der Tatortreiniger (Serie)

Arbeit macht oft erst dann Spaß, wenn man anderen dabei zuschauen kann. Besonders unterhaltsam ist es, wenn es sich dabei um Bjarne Mädel in seiner Rolle als Heiko „Schotty“ Schotte handelt, den man zu seinen Einsatzorten begleitet. Was er dort macht, klärt bereits der Titel der NDR-Serie. Doch tritt die eigentliche Beseitigung von Blut und anderen Zeugnissen mitunter absurder Ereignisse in den Hintergrund zugunsten der Gespräche, in die er sich jedes Mal verwickelt findet. Hinterbliebene, Nachbarn und Bekannte sowie Mörder und selbst Ermordete diskutieren, streiten und philosophieren mit Schotty über alle möglichen Themen. Doch egal, ob es der tiefschürfende Dialog, ein witziger Schlagabtausch oder das leicht peinliche Geplänkel von Schotty auf der Balz ist – die Drehbücher von Mizzi Meyer (aka Ingrid Lausund) gehören ohne Zweifel zu den besten, die je für eine moderne deutsche Serienproduktion geschrieben wurden.

Marajka empfiehlt:
Rudi Palla Verschwundene Arbeit. Das Buch der untergegangenen Berufe

Es ist ein wiederkehrender Kreislauf. Durch die Industrialisierung zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts wurden viele neue Berufe geschaffen, die es jetzt nicht mehr gibt. Einen Wandel erlebten wir durch die Digitalisierung bereits in der Vergangenheit, der sich bis in die Gegenwart erstreckt und uns auch zukünftig beschäftigen wird. In Rudi Pallas Buch werden sehr alte Berufe, die inzwischen nicht mehr praktiziert werden, thematisch aufgegriffen. Es werden allerdings nicht nur Berufe beschrieben, die es in dieser Form nicht mehr gibt, sondern auch handwerkliche Tätigkeiten. Diese waren damals ohne maschinelle Hilfe die reinste Knochenarbeit. Hutmacher beispielsweise atmeten den ganzen Tag giftige Quecksilberdämpfe ein, was heutzutage der vorgeschriebene Gesundheitsschutz verhindert hätte. Oder der Betriebsrat. Flößer ertranken häufig und Lederer mussten Tag für Tag einen elenden Gestank ertragen. Spannend ist auch der Ursprung vieler Familiennamen, die sich vormals oft aus den Berufen ergeben habe, z.B. Scheider, Wollschläger oder der oben erwähnte Hutmacher. Wer sich schon immer dafür interessierte, was ein Hofnarr in seiner Funktion zu tun hatte oder welche Rolle der Lumpensammler in der damaligen Gesellschaftsstruktur spielte, sollte sich dieses informative, mit vielen antiquarisch angehauchten Illustrationen gefüllte Buch zulegen.

Lara empfiehlt:
Mad Men (Serie)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, erneut eine meiner liebsten Serien zu empfehlen (auch, wenn das letzte Mal noch gar nicht so lang her ist…): Mad Men zeigt den Arbeitsalltag in der New Yorker Werbeagentur „Sterling Cooper“ in den 1960er Jahren. Ideen für Texte und Illustrationen werden von den (zu Beginn der Serie noch überwiegend) männlichen Angestellten ersonnen, entwickelt und verworfen. Das ausgiebige Rauchen und Trinken ist nicht auf die schöpferischen Pausen limitiert und häufig bringt Protagonist und kreatives Wunderkind Don Draper (gespielt von Jon Hamm) einen genialen Einfall hervor, der einer in der Realität tatsächlich umgesetzten Werbemaßnahme entspricht.
Doch nicht nur der Arbeitsalltag der Werbetexter und Illustratoren wird dargestellt, auch die Heerschar an Sekretärinnen und deren Arbeitsabläufe sind zu sehen. Das Gefüge an Mitarbeiter*innen organisiert sich in einer Hierarchie, die über die Serienentwicklung hinweg – die insgesamt vier Staffeln erstrecken sich zeitlich über die kompletten 1960er Jahre – bröckelt und umgestaltet wird.