„12 Monate – 12 Bücher“ lautet das übergreifende Motto der zweiten Runde der #Indiebookchallenge. Bei uns waren es dieses Mal sechs Monate und sieben Bücher: Zur Halbzeit im Oktober eingestiegen, haben wir uns durch das mannigfaltige Programm der unabhängigen Verlage gewühlt, dabei so manch lohnende Entdeckung vergessener Titel und Autor*innen gemacht und ganz nebenbei die verbleibenden sechs Lese-Challenges erfolgreich gemeistert. Welche Titel in unserer Lektüreauswahl gelandet sind, präsentieren wir euch in einer feinen Nachlese:
- Oktober 2019 – #8buchstabentitel
Hans Adler, Das Ideal (Lilienfeld Verlag)
Pierre Bost, Bankrott (Dörlemann Verlag)
Einen Titel zu finden, der aus genau acht Buchstaben besteht, ist nicht so einfach, wie man meinen könnte. Wir sind gleich zweifach fündig geworden: Bei Hans Adlers Erzählband Das Ideal und bei Pierre Bosts Roman Bankrott.
Der Wiener Autor Hans Adler (1880-1957) war zu Lebzeiten für seine über 130 Theaterstücke, Bearbeitungen und Drehbücher bekannt. Seine schmales Erzählwerk besticht durch einen elegant-sarkastischen Ton und die Selbstironie, mit der Adlers Ich-Erzähler alltägliche Begegnungen und Beziehungen schildern. Nicht minder produktiv war das künstlerische Schaffen des französischen Autors Pierre Bost (1901-1975), der neben Theaterstücken und Romanen auch Kritiken und Essays verfasste. In Bankrott erfährt der Protagonist Brugnon, ein erfolgreicher Geschäftsmann, wie der Fortschritt der Moderne den Mensch zu überholen droht – und steht schließlich selbst vorm Scheitern. Bosts Darstellung vermag Perspektiven auf die Gegenwart zu eröffnen, auf eine Zeit, die der damaligen in vielerlei Hinsicht nicht unähnlich ist.
- November 2019 – #hörensagen
Madge Jenison, Sunwise Turn. Zwei Buchhändlerinnen in New York (ebersbach & simon)
„Ich weiß nicht mehr genau, wann ich zu dem Schluss kam, dass Amerika eine ganz neue Art von Buchhandlung brauchte, und zwar sofort, und dass ich so einen Laden eröffnen würde“. Als Madge Jenison diesen Entschluss einmal gefasst hatte, setzte sie ihn gemeinsam mit Mary Mowbray-Clarke in die Tat um. 1916 eröffneten die beiden Frauen in New York City ihre Buchhandlung ‚The Sunwise Turn‘, die nach kurzer Zeit zum künstlerischen und literarischen Treffpunkt werden sollte.
In ihrer erstmals 1923 erschienenen Buchhandlungs-Biographie erzählt Jenison von ihren Bemühungen, von Erfolgen und (ökonomischen) Fehlschlägen und von so mancher Eigenarten der Kundschaft. Vor allem aber ist Sunwise Turn eine Geschichte über „zwei Buchhändlerinnen in New York“, in deren Mittelpunkt ihre Leidenschaft für Bücher steht und ihr Wunsch, diese mit anderen zu teilen.
- Dezember 2019 – #winterbuch
Robertson Davies, Der Fünfte im Spiel (Dörlemann Verlag)
Angefangen mit dem folgenreichen Wurf eines Schneeballs an einem Dezembertag im Jahr 1908 nimmt die (Lebens-)Geschichte von Dunstable Ramsay ihren Lauf, erstreckt sich über zwei Kontinente und mehrere Jahrzehnte. Der Fünfte im Spiel erschien im Original 1970 und ist der erste Band von Davies’ Deptford-Trilogie. In seinem Heimatland Kanada gehört Robertson Davies zu den großen Erzählern, seine Romane glänzen durch eine unerschöpfliche Fabulierkunst und die im besten Sinne merkwürdigen Figuren. Und das alles in bibliophiler Ausstattung mit Leineneinband und Lesebändchen – nicht umsonst hat es der Roman in die Liste unserer Lieblingsbücher 2019 geschafft!
- Januar 2020 – #typocover
David Wagner, Sich verlieben hilft. Über Bücher und Serien (Verbrecher Verlag)
Fünfzehn kurze Texte über Bücher und Serien, locker-leicht geschrieben und gedankenreich: Bei der Lektüre von David Wagners Essayband folgt man dem Schriftsteller auf seinen assoziativen Streifzügen durch Klassiker, Neuerscheinungen und Serienstaffeln. Ob Tomas Espedal oder Thomas Mann, ob E-Book oder ungelesener Staubfänger im Regal, ob The Office oder Fargo – Wagners Begeisterung steckt an, sie macht neugierig und lädt dazu ein, die erwähnten Bücher und Serien selbst zu entdecken. Der (typographische) Titel auf leuchtend rotem Leineneinband ist Programm. Wer einmal anfängt zu lesen, wer sich ins Lesen verliebt, der hört so schnell nicht wieder damit auf.
- Februar 2020 – #gemüseimtitel
Richard Brautigan, In Wassermelonen Zucker (Kein & Aber)
Eine echte Herausforderung stellte der gemüsehaltige Buchtitel im Februar dar. Ausgerechnet die Wassermelone in Richard Brautigans Westküsten-Roman erweist sich als Retter in der Not – botanisch zählt man sie zu den Kürbisgewächsen und damit tatsächlich zum Gemüse.
Brautigans Roman führt seine Leser*innen an einen unwirklichen Ort namens Wassermelonen Zucker, in eine phantastische Welt, die fernab des Gewohnten existiert und in der die Sonne montags rot, dienstags golden und den Rest der Woche jeden Tag in einer anderen Farbe scheint. Die Menschen dort leben in einer Art Kommune und haben sich in ihrer Abgeschiedenheit ebenso eingerichtet wie in ihrem Wunsch, das Hier und Jetzt zu bewahren. Richard Brautigan erzählt von diesen seltsamen Begebenheiten in einer schnörkellosen Sprache, die von knappen Sätzen und Wiederholungen geprägt ist. „In Wassermelonen Zucker ereigneten sich die Taten und Dinge immer und immer wieder […]“…
- März 2020 – #kurzgeschichten #erzählungen
Shelagh Delaney, A Taste of Honey (AvivA Verlag)
Hierzulande ist sie wenig bekannt, in ihrer Heimat Großbritannien zählen die Werke von Shelagh Delaney zu den Klassikern. Mit einer gesammelten Ausgabe ihrer Erzählungen und Theaterstücke – darunter auch das titelgebende A Taste of Honey – lassen sich die Texte der 1938 in Salford bei Manchester geborenen Autorin in deutscher Neu- bzw. Erstübersetzung entdecken.
Das Leben im Norden Englands und der Alltag der Arbeiterklasse spielen eine zentrale Rolle in Delaneys Werken. Sie war die einzige „angry young woman“ inmitten der sogenannten „angry young men“ um John Osborne, Alan Sillitoe und Harold Pinter, einer heterogenen Gruppe von Autoren, die das kulturelle Großbritannien der 1950er und 1960er Jahre mitprägte. Auch knapp sechzig Jahre später ist es mehr als lohnenswert, die bereits bekannten Darstellungen jener Zeit um Delaneys sozialkritische Perspektive zu erweitern.
Unser Fazit: Wir lesen weiter unabhängig und stehen frei nach dem Motto „nach der Indiebookchallenge ist vor der Indiebookchallenge“ in den Startlöchern für die nächste Runde!