Alles neu macht der März – zumindest, was literarische Neuerscheinungen angeht. Auch wenn die Leipziger Buchmesse dieses Jahr ausfällt, wollen wir uns nicht entmutigen lassen und die freie Zeit nutzen: Indem wir in Verlagsvorschauen blättern, vielversprechende Titel notieren und vielleicht sogar schon das ein oder andere frisch erschienene Buch aus dem aktuellen Frühjahrsprogramm lesen…
Kerstin empfiehlt:
Niklas Maak – Technophoria
Die Idee scheint zu gleichen Teilen brilliant und aberwitzig: In Ägytpen soll ein Zugang vom Mittelmeer zur Qattara-Senke gesprengt werden, um einen Teil der Wüste mit Wasser aus dem Mittelmeer zu fluten. Die Befürworter preisen das Vorhaben als Antwort auf den steigenden Meeresspiegel infolge des Klimawandels und als strategische Meisterleistung in der Energiepolitik des Landes. Doch während die einen die Zukunft in den buntesten Farben ausmalen, werden die Stimmen der Zweifler laut, die nicht nur den radikalen Eingriff in die Natur ablehnen, sondern auch die Mittel, die zu diesem Zwecke in Erwägung gezogen werden: atomare Sprengkörper. Maaks Roman verspricht eine spannende Auseinandersetzung mit der Frage, ob man auch all das sollte, was man kann vor dem Hintergrund einer geographischen Besonderheit, die die Vorstellungskraft der Menschen seit Jahrzehnten fesselt.
Lara empfiehlt:
Abbas Khider – Palast der Miserablen
Palast der Miserablen erzählt die Geschichte von Shams Hussein, der in den Slums von Bagdad der 1990er Jahre aufwächst. Das Leben seiner Familie ist geprägt von Not und Entbehrung, doch inmitten des Elends entdeckt Shams, welche Zuflucht ihm die Literatur bieten kann.
Abbas Khiders neuester Roman ist autobiographisch grundiert, Rezensionen bezeichnen die darin benutzte als Sprache grob, direkt und wuchtig. Nichtsdestotrotz wird Palast der Miserablen als „facettenreicher Roman“ gelobt, in dem gleichermaßen die Schrecken des Krieges porträtiert und die besondere Stellung der Literatur hervorgehoben werden .
Larissa empfiehlt:
Ulrich Becher – New Yorker Novellen
Ulrich Becher ist einer dieser Autoren, die über die Jahre in Vergessenheit geraten sind. Eine Neuauflage von Bechers Roman Murmeljagd und seiner New Yorker Novellen sollen dem entgegenwirken und seinen Platz in der Reihe deutschsprachiger Exilautor*innen festigen. Nachdem Bechers Erstlingswerk 1933 im Zuge der Bücherverbrennungen unter den Nationalsozialisten verbrannt wurde, verließ der 1910 in Berlin geborene Autor Deutschland. Er lebte zunächst in Wien und danach in anderen europäischen Städten, bis er 1944 nach New York emigrierte.
Wie Becher selbst, so führen auch seine Figuren ein bewegtes Leben. Die New Yorker Novellen tragen den Untertitel „Ein Zyklus in drei Nächten“, handeln von Exilanten, Außenseitern, dem Leben in der Fremde und den Möglichkeiten der Kunst. Ein Blick in die Leseprobe lässt sprachlich überbordende Fabulierkunst und eigenwillige Figuren vermuten. Wenn diese Versprechen gehalten werden, steht als nächstes sicher auch Bechers Murmeljagd auf meiner Leseliste.
Kerstin empfiehlt:
Olivia Wenzel – 1000 Serpentinen Angst
Schon auf den ersten Seiten merkt man, dass Olivia Wenzel daran gewöhnt ist, richtig gute Dialoge zu schreiben. Hat sich die junge Wahlberlinerin bisher größtenteils mit Texten fürs Theater einen Namen gemacht, ist nun ihr erster Roman erschienen. Darin wird das Leben einer jungen schwarzen Frau aus Berlin geschildert in einer Welt, in der Trump Präsident der USA wurde und Neonazis in Deutschland ein wieder fast alltägliches Bild geworden sind. Der Roman ist keine Autobiographie, doch weiß Wenzel, wovon sie schreibt. Entsprechend interessant ist die Erörterung der Fragen, die die Protagonistin umtreiben: Wo gehöre ich hin? Wo standen Eltern und Großeltern und wie positioniere ich mich entsprechend? Im Spannungsraum zwischen DDR-Vergangenheit und einer Gegenwart, in der die AfD im Bundestag sitzt, verspricht dieser Debütroman eine wichtige und spannende Reflexion über Identität und den eigenen Platz in der Welt.