Weihnachten rückt immer näher und unsere Redaktion hat auch endlich ihren Wunschzettel für dieses Jahr formuliert. Darauf findet sich alles von wundervollen Gesamtausgaben der Klassiker bis hin zu aufregenden Neuerscheinungen. Wer also noch ein wenig Inspiration für seinen eigenen Zettel sucht, sollte unbedingt weiterlesen.
1. H.P. Lovecraft: Das Werk. Große kommentierte Ausgabe (Kerstin)
Teuer, schwer und unhandlich, aber wunderschön. Diese illustrierte und kommentierte Gesamtausgabe des literarischen Werks von H.P. Lovecraft hat das Potential, das Herz eines jeden Fans des Horrorgenres höher schlagen zu lassen. Ein reich bebildertes Vorwort gibt Einblicke in Leben und Schaffen des Kultautors und beschreibt den kulturellen und literarischen Hintergrund, vor dem die Texte entstanden sind. Die Erzählungen selbst sind mit unzähligen, bisweilen skurrilen Randnotizen gespickt und laden zusammen mit den Illustrationen zu einem (Wieder-) Entdecken nicht nur der albtraumhaften Welt des Cthulhu-Mythos ein. Wem das noch nicht genug ist, der findet im Anhang Zeittafeln, Stammbäume und weiteres Material um vollends in die komplexe Imaginationswelt Lovecrafts abtauchen zu können.
Leslie S. Klinger (Hrsg.): H.P. Lovecraft. Das Werk: Große kommentierte Ausgabe. Frankfurt a.M.: Fischer 2017. 78 Euro.
2. Shelagh Delaney – A Taste of Honey (Larissa)
Autoren wie John Osborne, Alan Sillitoe und Harold Pinter prägten mit ihrem literarischen und kulturellen Schaffen das Großbritannien der 1950er und 1960er Jahre. Die angry young men sind zum geflügelten Wort geworden, dass aber zur gleichen Zeit auch eine junge britische Autorin mit ihrem ersten Stück einen großen Erfolg landete, ist nur wenigen bekannt. Shelagh Delaney wurde 1938 in der Nähe von Manchester geboren und machte den Alltag der nordenglischen Arbeiterklasse zum Thema ihrer Theaterstücke und Erzählungen. Mit ihrem Erstlingswerk A Taste of Honey schuf sie eine neue Form des Sozialdramas, das nach der Premiere in London auch am Broadway lief und wenig später verfilmt wurde. Die gesammelte Ausgabe von Delaneys Werken liegt nun in einer Neu- bzw. Erstübersetzung im AvivA Verlag vor – die Gelegenheit, eine in Vergessenheit geratene Autorin neu für sich zu entdecken!
Shelagh Delaney: A Taste of Honey. Berlin: AvivA 2019. 22 Euro.
3. Philipp Weiss – Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen (Nadine)
Ein Buch mit tausend Seiten? Kein Problem. Ein Buch in fünf Bänden mit insgesamt tausend Seiten? Klingt nach einer spannenden Herausforderung!
Zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert bewegen sich die Geschichten, die in fünf verschiedenen Genres erzählt werden. Hier treffen Enzyklopädie, Notizheft, Comic, Protokoll und die klass2sche Erzählung aufeinander, genauso wie die unterschiedlichsten Themen und Protagonisten. Die Leben einer Demonstrantin, einer Klimaforscherin, eines Künstlers, eines kleinen Jungen und einer jungen Frau werden miteinander verwoben und kreieren, über die fiktiven Bücher im Buch verteilt, ein großes Netz an Ereignissen und Gedanken sowie ein Abbild der Welt, in der wir leben. Was für ein Projekt, was für ein Romandebüt, das die Grenzen des traditionellen Romans definitiv sprengen, zumindest aber ausloten dürfte! Ein aufregendes Geschenk für alle Freunde von experimenteller Literatur.
Philipp Weiss: Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen. Berlin: Suhrkamp 2018. 48 Euro.
4. Dietmar Dath – Niegeschichte (Lara)
Das Science Fiction-Genre ist ein schier unüberblickbares Feld. Diesem Umstand wollte Dietmar Dath wohl Abhilfe schaffen, als er Niegeschichte. Science Fiction als Kunst- und Denkmaschine verfasst hat. In dem knapp 1000 Seiten starken Buch widmet er sich mehr und auch weniger bekannten Autoren des technikaffinen Genres, betrachtet typische Motive und stellt die Frage nach dem Erkenntniswert. Das Inhaltsverzeichnis ist umfangreich und lässt auf ein Buch hoffen, das deutlich mehr als nur einen groben Überblick bieten kann. Ich zumindest freue mich darauf, etwas tiefer in die Geschichte der Science Fiction einzutauchen.
Wer Dath selbst zu Niegeschichte sprechen hören möchte, dem sei dieses halbstündige Interview aus „Deutschlandfunk Kultur – Kompressor“ ans Herz gelegt
Dietmar Dath: Niegeschichte. Science Fiction als Kunst- und Denkmaschine. Berlin: Matthes & Seitz 2019. 38 Euro.
5. Jorge Luis Borges – Gesammelte Werke in zwölf Bänden (Larissa)
Gleich alle zwölf Bände auf den Wunschzettel zu schreiben, könnte maßlos erscheinen: Zum Glück lässt es die Einteilung von Borges gesammelten Werken in Essays, Erzählungen, Gedichte, Anthologien und gemeinsame Werke zu, dass man sich selbst den Anfangspunkt für die Erkundung seines phantastisch-literarischen Universums sucht. Der Weg führt vom „Aleph“ über die „Geschichte der Ewigkeit“ bis zum „Buch der Träume“; man stolpert über reale und fiktive Bücher, trifft auf eigentümliche Wesen und irrt durch Gärten und Labyrinthe. Wer einmal einen Schritt in die faszinierende Sprach- und Gedankenwelt des argentinischen Autors gemacht hat, möchte sie so schnell nicht wieder verlassen. Nach und nach ergänzt, bieten diese ansprechend gestalteten, gebundenen Ausgaben des Hanser Verlags einen prächtigen Anblick im Regal eines jeden Buchliebhabers – für alle ohnehin schon begeisterten Borges-Leser und solche, die es werden wollen!
Gisbert Haefs et.al. (Hrsg.): Jorge Luis Borges. Gesammelte Werke in 12 Bänden. München: Hanser. Um die 25 Euro je Band.