„Verzauberte Heimat“ im Von-der-Heydt-Museum

Am Sonntag, den 10.02.2019, las die Schauspielerin, Film- und Fernsehproduzentin Julia Wolff im Rahmen des Projekts „Meinwärts. 150 Jahre Else Lasker-Schüler“ aus dem von Ulrike Schrader veröffentlichten Band Verzauberte Heimat. Else Lasker-Schüler und Wuppertal, einer Zusammenstellung mehrerer Werke der damaligen Dichterin.

Die am 11. Februar geborene Elisabeth Schüler war eine berühmte deutsch-jüdisch stämmige Wuppertaler Dichterin. Im Sommer schlüpft Wolff für das Theaterstück „Ich und Ich“ des Schauspiel Wuppertal vom 6. bis zum 13. Juli in die Rolle der Else Lasker-Schüler.

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von Anthoula Hatziioannou

Musikklänge des Gitarrenduos „Weimersisters“ stimmten in den Abend ein. Die Buchvorstellung und Lesung moderierte Dr. Ulrike Schrader, die den Band Verzauberte Heimat. Else Lasker-Schüler und Wuppertal herausgegeben hat. Sie ist Leiterin der Begegnungsstätte „Alte Synagoge“ und Lehrbeauftragte für Geschichte und Didaktik an der Bergischen Universität Wuppertal. Frau Schrader teilte allgemeine Hintergrundinformationen mit und Frau Wolff las Gedichte und Prosastücke Else Lasker-Schülers vor. Zu Beginn der Veranstaltung wurde ein Gedicht über den Künstler Jankel Adler vorgetragen, den Else Lasker-Schüler zu Lebzeiten kannte. Er fertigte ein Bildnis der Dichterin an.

Es folgten weitere Gedichte und Prosastücke, in denen Else Lasker-Schüler ihre Heimatstadt Wuppertal-Elberfeld und deren Schwebebahn beschreibt und über ihre Familie erzählt. „Ich bin verliebt in meine Stadt“ ist eines ihrer bekanntesten Statements. Für Else Lasker-Schüler war Wuppertal ein bergisches Panorama, welches verschiedene Eindrücke bei ihr hinterließ: Die Stadt bestand nicht nur aus Fabriken und einem einfachen Tal; sie nahm sie als einen Ort voller Farben, Bilder und Vorstellungen. Sie fertigte mehrere Illustrationen an, da sie auch als Zeichnerin tätig war.

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Die zahlreich erschienenen Zuhörer ließen sich von Julia Wolffs Lesung verzaubern. (© Anthoula Hatziioannou)

Else Lasker-Schüler wuchs mit ihren Eltern und fünf älteren Geschwistern, zwei Schwestern und drei Brüdern, im Briller Viertel auf. Obwohl die Familie jüdischen Glaubens war, besuchten die Kinder katholische Internate. Ihr älterer Bruder, Paul Karl Schüler, der seinen Abschluss in einem katholischen Gymnasium absolvierte und zum Katholizismus konvertieren wollte, kümmerte sich um die religiöse Bildung seiner Schwester. Die Dichterin bewahrte sich von allen Familienmitgliedern das Meiste an jüdischer Ethik. In einem längeren Prosastück gibt sie Aufschluss über die assimilierte, jüdische Familie. Sie erzählt eine lustige Szene vom Besuch in der Synagoge am Versöhnungstag, einem der heiligsten jüdischen Tage für ihren Vater. Dieser betrat zu spät und laut polternd die Kirche und wurde vom Pfarrer zunächst ermahnt. Im selben Stück berichtet sie von ihrem Zuhause und beschreibt das koschere Abendmahl, das die Familie zu sich nahm: Sie aßen Fisch und keinen Aal, da dies in den Geboten Moses untersagt war.

Zu ihren Brüdern Moritz und Paul Karl, der auf Latein und Griechisch dichtete, und ihren zwei Schwestern Margarete und Annemarie hatte Else Lasker-Schüler ein gutes Verhältnis. Mit ihrem dritten Bruder Alfred Jacob Schüler war dies nicht der Fall. Obwohl sie zu ihm keine innige Beziehung aufbauen konnte, weil er der älteste Bruder war und sie größtenteils im Elternhaus nicht sonderlich beachtete, setzte sie sich stark für den Verkauf seiner künstlerischen Werke ein. Dass sie ihrem verarmten Bruder half, obwohl sie ihm nicht nahe stand, zeigt, wie tief sie die jüdische Ethik verinnerlicht hatte. In einem von mehreren archivierten sogenannten ,Bettlerbriefen‘ bat sie den Oberbürgermeister um Hilfe. Er sollte mit Alfred Schüler sprechen und ihm eine Arbeit als Künstler verschaffen, aber nicht erwähnen, dass seine Schwester dies in die Wege geleitet hatte. Ihre anonyme Hilfsbereitschaft entspricht dem hebräischen Wort ,Zedaka‘, das übersetzt wird als ,die jüdische Gerechtigkeit‘. Dies bedeutet, dass der Hilfsbedürftige über die anonyme Handlung nichts weiß und dem Helfer somit nichts schuldet.

Nach ihrer Hochzeit mit ihrem ersten Mann Jonathan Berthold Lasker blieb sie nicht mehr lange in Elberfeld, sondern zog nach Berlin um. Else Lasker-Schüler hatte bis dahin keine anderen Stadtteile besucht. Ihre Erfolge als Dichterin machten sich ab 1906 im deutschen Literaturmarkt bemerkbar. Zu diesem Zeitpunkt führte sie bereits ihre zweite Ehe mit dem Schriftsteller Georg Lewin. Else Lasker-Schüler bekam nicht immer nur positive, sondern auch negative Kritiken. 1912 wurde ein Theaterstück aufgeführt, bei dem sie die Hauptrolle spielte. Der Rezensent stellte ihr Erscheinungsbild als dämonisch dar, vorwiegend wegen der schlechten Lichteffekte.

Die Dichterin hatte im Laufe der Jahre viele Kontakte zu Künstlern und Literaten geknüpft, welche überwiegend jüdische Emigranten waren. Einer von ihnen war Gerson Stern, der in seinem Gedichtband Menora das Gedicht Mein blaues Klavier von Else Lasker-Schüler veröffentlicht hatte, um seine Verehrung für sie kundzugeben. Dieses Gedicht erschien ebenfalls in ihrem letzten Lyrikband, welchen sie 1943 im Exil verfasst hatte. Else Lasker-Schüler erkrankte danach schwer und erlitt einen Herzinfarkt. Sie verschied am 22.01.1945 in Jerusalem und wurde auf dem Ölberg in Jerusalem bestattet. Der Wunschtraum der jüdischen Dichterin war es in Palästina zu leben, weswegen sie in ihren Werken oftmals von der gelobten Stadt und der Sehnsucht nach Jerusalem schrieb. Nach ihrem Ableben wurden mehrere Gedenktafeln und auch ein Denkmal namens Engel für Jerusalem für sie errichtet.

Die Buchvorstellung im Von-der-Heydt-Museum wurde zu Ehren dieser großartigen Frau veranstaltet, um einen weiteren Abend mit Else Lasker-Schüler zu verbringen und einen kurzen Einblick in einige ihrer Werke zu erhaschen. Die Veranstaltung endete mit den Gitarrenklängen der „Weimersisters“. Anschließend folgte der Sektempfang in der Begegnungsstätte „Alte Synagoge“, wo diverse Gespräche rund um das Buch Verzauberte Heimat. Else Lasker-Schüler und Wuppertal und über die Dichterin in gemütlicher Gesellschaft geführt wurden.

Schrader, Ulrike (Hrsg.): Verzauberte Heimat. Else Lasker-Schüler und Wuppertal. Wuppertal: Peter Hammer 2019.
128 Seiten, 22,00 €