„Schnappschuss“ die Zehnte: Vorhang auf im Polizeipräsidium

Foto: Polizei NRW

von Larissa Plath

Was haben ein fehlender Duschvorhang und die göttliche Strafe miteinander zu tun? Auf den ersten Blick rein gar nichts, möchte man meinen. Wer am vergangenen Freitag jedoch unter den arglosen Zuschauern im Polizeipräsidium in Barmen weilte und die nunmehr zehnte „Schnappschuss“-Ausgabe des Wuppertaler Schauspielensembles miterlebte, weiß um den folgenreichen Charakter scheinbar lapidarer Details und Harmlosigkeiten. Unter dem Motto „Das kommt davon!“ präsentierte das Dreiergespann aus Thomas Braus, Martin Petschan und Lena Vogt eine abwechslungsreiche Darbietung im Stil des film noir.

Im Dämmerlicht des großen Saals sitzen die drei Hauptdarsteller nebeneinander aufgereiht an einer imposanten Holztheke, die Gesichter in das schummrig-gelbe Licht altmodischer Schreibtischlampen getaucht und ein starres, geheimnisvolles Lächeln auf den Lippen. Nach und nach füllt sich der Raum, bis auch der letzte Besucher seinen Platz gefunden hat. Gespannte Stille im Publikum – jäh unterbrochen wird sie durch Petschans Stimme und eine in atemlosem Stakkato vorgetragene philosophische Abhandlung. Von Kausalität ist da die Rede, von Ursache und Wirkung, so viel ist klar: Schopenhauer lässt grüßen. „Noch Fragen?“ lautet die abschließende Bemerkung, doch dafür ist keine Zeit inmitten der fliegenden Wechsel: Gekonnt spielen sich Vogt, Petschan und Braus die Bälle zu, es wird mal abwechselnd, mal synchron gelesen, die Position geändert und wieder in die Ausgangssituation zurückgekehrt.

Licht aus. Beschwingte Musik ertönt – Szenenwechsel. Gruselig-verstörend wird die Kausalkette von augenscheinlich unbedeutenden Handlungen und ihren Folgen bei der Geschichte der kleinen Melanie. Ihre innig geliebte Puppe Paula wird von dem Mädchen bestens umsorgt, entwickelt allerdings mit der Zeit ein merkwürdiges Eigenleben. Am Ende tauschen sie und Melanie die Rollen, was Melanie angeht unfreiwillig und unwiderruflich. „Noch Fragen?“ – „Nein?“ – „Gut.“ Ernst und klassisch geht es weiter mit einer Szene aus der Tragödie Antigone. Existentielle Fragen stehen im Raum, es geht um Macht, Schuld und Strafe. Aufgelockert wird die ernste Thematik durch augenzwinkernd gemeinte Schlussfolgerungen: „Augen auf bei der Berufswahl“, heißt es da zum Beispiel.

Licht aus – auf zur letzten Szene. Vor den Augen des Publikums werden Petschan und Braus abwechselnd zu einem auffallend modernen König David und seiner Geliebten Batseba. Die Darstellung der biblischen Erzählung wird von Zeichnungen illustriert, die der nostalgisch anmutende Overheadprojektor an die Wand wirft: Ein kleiner König David im Strichmännchen-Format, der nach seinem folgenreichen Verhältnis mit Batseba einen Ausweg aus der Bredouille suchen muss. Batseba erwartet ein Kind, ihr Mann Urija ist im Krieg und kommt als Vater nicht infrage und König David beschließt, ihn loszuwerden. Da wird auch klar, was es mit dem fehlenden Duschvorhang auf sich hat: Schließlich konnte David nur wegen der freien Sicht in Versuchung geraten, als er Batseba beim Baden beobachtete… Und Gottes Zorn ist unergründlich. „Das kommt davon!“

Einmal mehr gelingt es dem Wuppertaler Ensemble, ein unkonventionelles Zwischenspiel in besonderer Kulisse zu inszenieren – kurzweilig, amüsant und immer für eine Überraschung gut.

 

Weitere „Schnappschuss“-Termine:

Mi. 05. Dezember 2018, 17:30 Uhr
Westdeutsche Zeitung

Do. 24. Januar 2019, 19:00 Uhr
(Veranstaltungsort wird noch bekannt gegeben)