Buchtipps: Kinder- und Jugendbücher, die auch Erwachsene lesen sollten

Kinder- und Jugendbücher sind nichts für Erwachsene?
Da müssen wir aber ganz klar widersprechen!
Nicht alle Bücher für jüngere Leser sind seicht und auf bloße Unterhaltung ausgelegt. Viele Werke aus der Kinder- und Jugendliteratur sind auch für ältere Leser spannend und eröffnen zum Teil völlig neue Perspektiven. Wir stellen euch einige Romane, Krimis und Kurzgeschichten vor, die sowohl Jung als auch Alt begeistern können.

Julia empfiehlt:
Monika Feth – Erdbeerpflücker-Reihe

Jette und ihre Freundin Merle sind zwei ganz normale junge Frauen – allerdings mit einem Talent dafür, sich mit ihrem ausgeprägten Helfersyndrom und ihren eigenständigen Ermittlungen in Schwierigkeiten zu bringen. Ob Jette sich in einen Mörder verliebt, ihre Mutter von einem Stalker bedroht wird oder eine neue Freundin eine gefährliche Persönlichkeitsstörung hütet – in jedem Band wartet eine neue sehr menschliche Bedrohung, die sich gewaschen hat.

Psychothriller für Jugendliche sind seicht? Von wegen! Monika Feths Jette-Krimis sind von einer düsteren Spannung und psychologischen Komplexität, an die zahlreiche Genrevertreter aus dem Erwachsenenbereich nicht annähernd herankommen. Die liebevoll ausgestalteten Charaktere bieten dabei Identifikationspotential für jede Lesergeneration. Diese Bücher legt man nicht freiwillig aus der Hand, bevor man die jungen Protagonistinnen in Sicherheit weiß. Inzwischen gibt es sechs: Der Erdbeerpflücker, Der Mädchenmaler, Der Scherbensammler, Der Schattengänger, Der Sommerfänger und Der Bilderwächter.

Lara empfiehlt:
Jackie French und Bruce Whatley – Tagebuch eines Wombat
Was macht ein Wombat den ganzen Tag? Schlafen, sich kratzen und vor allem: fressen. Manchmal gräbt es auch ein Loch, doch das ist sehr ermüdend. Die Wombat-Dame aus dem Kinderbuch Tagebuch eines Wombat, liebevoll illustriert von Bruce Whatley, lebt im Garten der Autorin Jackie French und ihrer Familie. Dort verhält sie sich soweit ruhig und ist vor allem sehr niedlich, bis sie ihre große Liebe zu Haferflocken entdeckt und von nun an alles auf den Kopf stellt, was ihr unter ihre Pfötchen kommt, um an ihre neue Lieblingsspeise heranzukommen.

Kinder und Erwachsene zugleich können wunderbar über den frechen Schabernack des Wombats lachen. Und das kleine Büchlein hält eine ganz besondere Lehre bereit: Hartnäckig bleiben lohnt sich, denn nicht nur Tiere, sondern auch Menschen lassen sich erziehen.

Julia empfiehlt:
Michael Ende – Momo

Als die kleine Momo auf einmal in der Stadt auftaucht, verändert sich das Leben der Bewohner: Die Kinder lernen, richtig zu spielen und die Erwachsenen, zuzuhören. Doch die geheimnisvollen grauen Herren von der Zeitsparkasse sind mit dieser Entwicklung gar nicht einverstanden – alles Zeitverschwendung! Nach und nach versetzen sie die ganze Welt in eine geschäftige Hektik und Momo macht sich mit Hilfe der Schildkröte Kassiopeia auf, um Meister Hora, den Verwalter der Zeit, aufzusuchen und den Menschen ihre Zeit zurückzugeben.

Zeit ist bei Menschen grundsätzlich Mangelware – das wusste Michael Ende schon 1973. Der Roman, der ein Jahr nach seinem Erscheinen mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet wurde, beschreibt bildhaft den menschlichen Umgang mit Zeit: Antagonisten, die in Lebenszeit eine Rechnung sehen und sie in grauen Zigarren verrauchen, als Gegenspieler ein kleines Mädchen, das alle Zeit der Welt hat, Erwachsene, die nicht einmal Zeit haben, die nahende Katastrophe zu bemerken und eine Straße, in der man sich ganz langsam bewegen muss, um voranzukommen. Momo ist ein Buch, das auch Erwachsene daran erinnern kann, dass es im Leben nicht darauf ankommt, Zeit zu sparen, sondern sie sinnvoll zu nutzen.

Nadine empfiehlt:
Philip Pullman – His Dark Materials Trilogie

Philip Pullmans berühmte Trilogie, bestehend aus Der goldene Kompass, Das magische Messer sowie Das Bernstein-Teleskop, begleitet das Mädchen Lyra und ihren Daemon auf ihren Abenteuern im Norden, wo sie versucht herauszufinden, was mit all den verschwundenen Kindern geschah und was es mit dem mysteriösen „Staub“ auf sich hat. Auf den Spuren einer Polarexpedition entdeckt sie eine Brücke zwischen den Welten und findet nach und nach mehr über ihre Herkunft heraus.

Die drei originellen und actionreichen Fantasyromane des britischen Autors, von denen der erste sogar 2007 verfilmt wurde, bieten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein völlig anderes Leseerlebnis. Während jüngere Leser vor allem Hals über Kopf in die liebevoll-magisch gestaltete Welt eintauchen und das Abenteuer genießen können, offenbart sich Erwachsenen eine politische, religiöse wie gesellschaftliche Ebene, die Platz schafft für Pullmans Kritik an autoritären Systemen, Machtmissbrauch und blindem Glauben. Somit sei es jedem Leser also eigentlich geraten, die Bücher zwei Mal in seinem Leben zu lesen: einmal in jungen Jahren und erneut, wenn sich der tiefere Sinn hinter der unterhaltsamen Geschichte der Trilogie vollkommen erfassen lässt.

Larissa empfiehlt:
Frances Hodgson Burnett – Der geheime Garten

Nach dem Tod der Eltern reist die 10-jährige Mary von Indien nach England um dort bei ihrem Onkel Mr. Craven auf seinem Gut inmitten der Moorlandschaft Yorkshires zu leben. Das abgelegene und wie ausgestorben wirkende Haus entspricht auf den ersten Blick so gar nicht den Vorstellungen des verzogenen kleinen Mädchens. Ihr anfänglicher Trotz weicht jedoch der Neugier und als sie beginnt, auf eigene Faust die hundert Zimmer des Anwesens und seine groß angelegten Gärten zu erkunden, trifft sie nicht nur auf so manchen liebenswerten Charakter, sondern entdeckt ein Geheimnis, das Marys Sicht auf ihr neues Leben grundlegend verändert.

Dieser Klassiker der britischen Schriftstellerin Frances Hodgson Burnett erschien unter dem Originaltitel The Secret Garden erstmals 1911 und gehört neben Little Lord Fauntleroy („Der kleine Lord“) zu ihren bekanntesten Werken. Wundervolle Beschreibungen der wild-romantischen nordenglischen Landschaft wechseln sich mit einfühlsamen, dabei stets unverblümten Figurenportraits ab und üben auf Kinder ebenso wie erwachsene Leser eine magische Wirkung aus.

Julia empfiehlt:
Jürg Schubiger – Als die Welt noch jung war

„Die Zwiebel, das Radieschen und die Tomate glauben nicht, daß es den Kürbis gibt. Sie halten ihn für eine leere Behauptung. Der Kürbis schweigt und wächst weiter.“ So oder ähnlich skurril muten alle Geschichten des 1995 erschienenen Bandes Als die Welt noch jung war von Jürg Schubiger an: Ein Mädchen vertröstet den Tod, indem es ihn sich bei den Hausaufgaben helfen lässt, eine Frau adoptiert einen Stern, ein Kamel verirrt sich in Bagdad und eine ganze Stadt macht sich aus dem Staub – mit all ihren Habseligkeiten. Es geht um Himmel, Erde und Hölle, um Menschen, Tiere und Pflanzen, um alltägliche Dinge und ihre Namen, um seltsame Erfindungen und unvorhergesehene Begegnungen.

Die sprachlich unvergleichlich prägnanten Kurzgeschichten – teilweise nur eine halbe Seite lang – sind von einem intelligenten Witz, den Kinder teilweise noch gar nicht begreifen und von einer naiven Phantasie, die erwachsenen Lesern nur guttun kann. Die passenden Illustrationen von Rotraut Susanne Berner vervollkommnen das Lesevergnügen. Nicht ohne Grund wurde das Buch 1996 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.