Buchtipps: Graphic Novels

Ihr sucht dieses Ostern auch nach neuer Lektüre? Wir haben einen ganzen Korb voll Graphic Novel-Empfehlungen für euch zusammengestellt (ein Comic hat sich auch dazu geschmuggelt), in dem für jeden was dabei ist!

Julia empfiehlt:
Frank Miller – Sin City

In Basin City herrschen Selbstjustiz, Gewalt und Korruption. Vor einer trostlosen verregneten Kulisse um Rotlichtmilieu und finstere Seitenstraßen bekämpfen sympathische Antihelden das Böse – ganz ohne Superkräfte. Frank Millers mehrfach ausgezeichnete Graphic Novel-Reihe Sin City, die in der amerikanischen Originalauflage inzwischen 13 Bände zählt, wurde 1991 und 1992 als Fortsetzungscomic bei Dark Horse veröffentlicht, bevor 1993 erstmals ein gebundener Band unter dem Titel The Hard Goodbye erschien. Sin City revolutionierte das Genre durch seinen unverkennbaren film noir-Stil und unvergessliche Charaktere – vom verbitterten, aber warmherzigen Ex-Sträfling Marv und die kriegerische Prostituierten-Gang aus Oldtown über den loyalen Polizisten John Hartigan bis hin zu durchtriebenen Psychopathen wie dem Kannibalen Kevin und dem entstellten „Yellow Bastard“.

Der besondere Suchtfaktor der Reihe liegt an den Überschneidungen der Geschichten und den wiederkehrenden Begegnungen der Protagonisten. Die Verfilmung aus dem Jahr 2005 von „Enfant terrible“ Robert Rodriguez und die Fortsetzung Sin City 2: A Dame To Kill For stellten diese Gleichzeitigkeit mit episodenartigen Ausschnitten aus verschiedenen Bänden nach. Auch der stimmungsvolle Zeichenstil ist trotz der gut erkennbaren prominenten Darsteller in endloser Detailverliebtheit nachvollzogen und erweckt die Graphic Novel im wahrsten Sinne zum Leben.

Lara empfiehlt:
Alison Bechdel – Fun Home – Eine Familie von Gezeichneten

In ihrer autobiographischen Graphic Novel setzt Alison Bechdel sich mit ihrer Kindheit und Jugend auseinander, um so den Selbstmord ihres Vaters zu verarbeiten. Fun Home ist dabei sowohl eine Coming-of-Age-, als auch eine Coming-Out-Geschichte. Sie beginnt in den 1960er Jahren im ländlichen Pennsylvania, wo Alisons Familie ein Bestattungsunternehmen führt. Aus diesem Grund wächst sie mit ihren Geschwistern in einer durchaus ungewöhnlichen Umgebung auf, in der es normal ist, zwischen den Särgen zu spielen. Beherrscht wird die Graphic Novel von der Figur des Vaters George, der minutiös auch die kleinsten Details der Familienvilla in Eigenregie – mit der unfreiwilligen Unterstützung seiner Kinder – renoviert und auch ansonsten eher pedantisch auftritt. Dass ihn ein Geheimnis umgibt, wird Alison mit zunehmendem Alter immer deutlicher.

Fun Home ist eine realistisch gezeichnete, textintensive Graphic Novel, die geschickt mit intertextuellen Verweisen aller Art spielt und so die Liebe zur Literatur durchscheinen lässt. Der Tonfall ist der ernsten Thematik angemessen und macht es dem Leser leicht, sich gemeinsam mit der Protagonistin auf die Reise in die Vergangenheit ihrer Familie zu begeben. Hierbei entsteht das Gefühl, dass man der Autorin bei jedem Schritt ihres Zurückblickens mitten in die Seele blicken kann.

Kerstin empfiehlt:
Shannon Watters, Grace Ellis, Brooklyn A. Allen, Noelle Stevenson – Lumberjanes 

April, Jo, Molly, Mal und Ripley sind die besten Freunde und verbringen den Sommer zusammen im „Camp for Hardcore Ladytypes“. In echter Pfadfindermanier verbringen sie die meiste Zeit in den umliegenden Wäldern auf der Suche nach Abenteuern und treiben damit ihre Gruppenleiterin immer wieder an den Rand des Wahnsinns. Doch irgendwas ist anders im Camp. Als sich die Angriffe auf die Lumberjanes durch seltsame dreiäugige Tiere häufen und mysteriöse Vorkommnisse die Bewohner des Ferienlagers verunsichern, beschließen die Mädels, den Geheimnissen auf den Grund zu gehen.

Diese bisher leider nur auf Englisch erschienene Comicreihe kombiniert auf erfrischende Art und Weise Elemente aus Akte X, Buffy und den Goonies und dürfte mit ihren starken, facettenreichen weiblichen Figuren und ihrer wunderbaren Ode an die Freundschaft nicht nur Fans der 90er begeistern.  Dass es nebenbei zahlreiche popkulturelle Refererenzen, atemberaubende Entdeckungen und eine Liebesgeschichte vom Feinsten gibt, schadet sicherlich auch nicht. Friendship to the max!

Lili empfiehlt:
Peer Meter und Isabel Kreitz – Haarmann

Serienmörder sind ein Phänomen der Vereinigten Staaten? Mitnichten, auch in Deutschland hat es eine Reihe von Menschen gegeben, die in diesem Metier zu schauriger Berühmtheit gelangten. Heute fast in Vergessenheit geraten, war Fritz Haarmann Jahrzehnte die drohende Gestalt, mit der man Kinder zu Zucht und Ordnung mahnte. In den frühen 1920er Jahren ermordete er 24 junge Männer in seiner kleinen hannoverschen Wohnung, nachdem oder während er mit ihnen intim war. Er biss ihnen zumeist die Kehle auf, während er sie zu Tode würgte, weshalb ihn die Presse später den Werwolf von Hannover nennen würde. Anschließend weidete er seine Opfer aus und zerlegte sie, um die Leichen besser entsorgen zu können. Der Fall Haarmann ist brisant, denn nicht nur hat er Fleischpakete an seine, von der Wirtschaftskrise gebeutelten und hungernden Nachbarn und Freunde verschenkt, auch war er als Spitzel für die Polizei von Hannover tätig.

Die Graphic Novel von Meter und Kreitz erzählt in wunderbar detaillierten Radierungen die Geschichte eines geisteskranken Mörders nach, ohne dabei sensationslüstern zu sein. Die Lektüre bietet die Möglichkeit in eine vergangene Zeit abzutauchen und zeigt ein Gesellschaftsbild der 20er Jahre, das abseits der weitläufig bekannten roaring twenties liegt. Die Lektüre ist teils schauerlich und grauenhaft und zwingt den Leser, zwischen unmenschlichen Taten und nur allzu menschlichem Verhalten abzuwägen, das die einzelnen Charaktere an den Tag legen. Nichtsdestotrotz ist sie ein absoluter Zugewinn.

Marcel empfiehlt:
Jason Lutes – Berlin – steinerne Stadt

Die Liebhaber ästhetischer, abstrakter und doch realitätsnaher Bilder sollten diese Graphic Novel unbedingt lesen.
Die Protagonisten, die Studentin Marthe Müller und der Journalist Kurt Severing, erleben die politischen und sozialen Wirrungen der letzten Jahre der Weimarer Republik in Berlin.

Die realen historischen Ereignisse werden mit einer fiktiven Liebesgeschichte geschickt und anschaulich verknüpft. Der Leser begleitet die Figuren und bekommt einen Einblick in die verschiedensten Milieus dieser Zeit. Dem Amerikaner Jason Lutes gelingt es so, die Stadt Berlin in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs grafisch festzuhalten. Bilder sagen eben manchmal mehr als Worte.

Lili empfiehlt:
Art Spiegelmann – Maus

Einen persönlicheren Einblick in das Er- und Überleben des Holocaust, den daraus resultierenden Traumata und seine Auswirkungen über Generationen hinweg, werden Sie nicht bekommen. Art Spiegelmann verarbeitet in zwei Bänden Maus die Geschichte seiner polnisch-jüdischen Familie, im Zentrum sein Vater Wladek, den er in Episoden interviewt und dessen Erzählungen er wiedergibt.

Der Leser erfährt durch die doppelte Zeitstruktur von „heute“ und „damals“ zum einen wie der Nationalsozialismus erst schleichend, dann mit brachialer Gewalt über das jüdische Leben hereingebrochen ist und mit welcher Grausamkeit und Berechnung die Deportationen und die Strukturen in den Vernichtungslagern funktionierten, zum anderen was diese Erfahrungen mit Wladek gemacht haben, wozu er wurde und welche Verhaltensmuster auf seine Erlebnisse zurückzuführen sind.

Das Besondere an Spiegelmanns Graphic Novel ist die gebrauchte Symbolik: Durch die Darstellung der einzelnen Ethnien als verschiedene Tiere (Juden sind Mäuse, Deutsche sind Katzen, Amerikaner Hunde, Polen Schweine, usw.), trennt er sie deutlich voneinander. Durch die Verlagerung in die Tiersymbolik und das Abrücken von direkten, menschlichen Bildern wird schnell klar, dass jeder eine dieser Figuren hätte sein können. Eine geschaffene Distanz, die den Leser gleichzeitig ganz nah ran bringt.

Art Spiegelmann wurde für Maus mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, auch wenn das Werk sehr kontrovers aufgenommen wurde.

Lara empfiehlt:
Jaroslav Rudiš und Jaromír 99 – Alois Nebel – Leben nach Fahrplan

Inmitten der Berge des Altvater-Gebirges an der tschechisch-polnischen Grenze befindet sich das kleine Städtchen Bílý Potok. Dort, in der Bahnstation, erledigt der Fahrdienstleiter Alois Nebel seinen Dienst – oder so ähnlich. Zumindest erzählt er in dieser abgedrehten Graphic Novel allerhand Geschichten über Begegnungen und Ereignisse in Bílý Potok. Und in nicht wenigen dieser Bilder kommen Bier und das Wort „Moppelkotze“ vor.

Der auf Deutsch und Tschechisch schreibende Jaroslav Rudiš legt dem namensgebenden Fahrdienstleiter gekonnt die Wörter für seine absurden Kurzgeschichten in den Mund. Die dazu auf schwarzem Hintergrund gezeichneten Figuren und Szenen stammen aus der Feder von Jaromír 99. Leben nach Fahrplan ist der zweite Teil der Alois Nebel-Trilogie, die von Tomáš Luňák verfilmt und mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde.