Das Schauspiel Wuppertal lässt die Puppen tanzen: Anne Leppers „Mädchen in Not“ feiert Premiere

Das Ankündigungsbild zu "Mädchen in Not" verspricht Extravaganz. Foto: Uwe Schinkel

IMG_7799von Julia Wessel

Welche emanzipierte Frau braucht schon einen Mann? Sicher nicht die junge Baby, die sich stattdessen männliche Puppen hält – denn diese kümmern sich um ihren Haushalt und ihr leibliches Vergnügen, ohne sie in ihrer Selbstbestimmtheit einzuschränken. Doch wie weit kann sich eine Frau von der Opferrolle entfernen, ohne selbst zur Täterin zu werden? Diesen Donnerstag nimmt das Wuppertaler Schauspiel mit Anne Leppers „Mädchen in Not“ ein in vielerlei Hinsicht brandaktuelles Stück ins Programm auf.

Wonder Woman löst Batman ab, Hollywood marschiert für #MeToo und das Gendern von Bezeichnungen bis zur Unlesbarkeit gehört zum guten Ton – die Frau aus ihrer vermeintlichen Opferrolle zu retten, scheint das Mantra der heutigen Zeit zu sein. Anne Leppers Stück „Mädchen in Not“, das im vergangenen Jahr mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet wurde, führt den Emanzipationsdiskurs auf humoristische Weise ad absurdum: Ihre Heldin Baby ist ein Vorbild für jede unabhängige junge Frau, die sich nicht mit der Hausfrauenrolle zufrieden geben will. Das Glück scheint mit ihren neuen Puppen zum Greifen nah, wären da nicht ihre missgünstige Freundin Dolly und die Gesellschaft der Freunde des Verbrechens, die Baby mit totalitaristischen Parolen zu Leibe rückt. Während Babys Puppen zum Chiffre für gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung werden, schlägt der Lebensstil der modernen Superheldin fern von jeglicher Opferrolle mehr und mehr ins gegenüberliegende Extrem um.

Politische Stellungnahme auf mehreren Ebenen

Nach Thomas Melles „Bilder von uns“ ist „Mädchen in Not“ das zweite zeitgenössische Stück in der aktuellen Spielzeit des Wuppertaler Schauspiels. Mit Anne Lepper, die selbst in Wuppertal studiert und gelebt hat, fiel die Wahl auf eine Autorin, die in aller Deutlichkeit politisch Stellung bezieht, ohne jedoch – wie es so oft geschieht – allzu einfache Antworten auf aktuelle Problematiken vorzuschlagen. Interessant ist jedoch nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form des Stücks: „Beim ersten Lesen waren wir alle etwas überfordert“, gibt Regisseur Peter Wallgram zu. Leppers collageartig zusammengesetzter Originaltext zitiert ebenso Goethe wie Goebbels und bettet den Erzählfluss kunstvoll in hochliterarische und popkulturelle Anspielungen, die dem Werk eine besondere Vielschichtigkeit verleihen. So wird der aus Laien zusammengesetzte Sprechchor zur brutalen Hommage an den Marquis de Sade und der 1968er Science Fiction-Klassiker „Barbarella“ ist allgegenwärtig, nicht zuletzt durch die Entlehnung des Fensters zum Weltall, das auch als Bildschirm eines alles überwachenden Computers gedeutet werden kann. Das ansonsten durch die Bausteinästhetik des beliebten PC-Spiels Minecraft inspirierte Bühnenbild von Sandra Linde wird durch minimalistische Videoeinspielungen, programmiert von Jörg Schütze, in den virtuellen Raum weitergeführt.

Als zweite Inszenierung seit der Uraufführung am Nationaltheater Mannheim präsentiert das Wuppertaler Schauspielensemble ein Stück über Ausgrenzung und Totalitarismus, über die Fallhöhen der Emanzipation und die Frage, ob Entmündigung Teil unserer modernen Gesellschaft ist. Nicht zuletzt ist „Mädchen in Not“ jedoch auch eine Komödie, wie Peter Wallgram betont – wenn auch eine bitterböse. Ob die Überzeichnungen ins Groteske das Publikum zum Lachen bringen oder ihm angesichts der tragischen Aktualität der Thematik das Lachen im Hals stecken bleibt, wird sich bei der Premiere am Donnerstag im Theater am Engelsgarten zeigen.

„Mädchen in Not“
Termine im Theater am Engelsgarten:

Do. 29. März 2018 19:30 Uhr (Premiere)
Sa. 07. April 2018 19:30 Uhr
So. 08. April 2018 18:00 Uhr
Do. 12. April 2018 19:30 Uhr
Fr. 13. April 2018 19:30 Uhr
Sa. 28. April 2018 19:30 Uhr
So. 29. April 2018 16:00 Uhr
Sa. 19. Mai 2018 19:30 Uhr
So. 20. Mai 2018 16:00 Uhr
Fr. 25. Mai 2018 19:30 Uhr

Inszenierung: Peter Wallgram
Bühne & Kostüme: Sandra Linde
Visuals: Jörg Schütze
Dramaturgie: Barbara Noth
Regieassistenz: Kristin Trosits
Inspizienz: Charlotte Bischoff
Regiehospitanz: Sophie Habib

Besetzung:

Julia Reznik: Baby
Lena Vogt: Dolly
Konstantin Rickert: Puppe / Franz
Martin Petschan: Puppe / Jack
Miko Greza: Duran-Duran
Gesellschaft der Freunde des Verbrechens: Frauke Altenberg, Mirel Capsa, Nadine Funk, Vincent Krafft, Julia Regnath, Sebastian Schön, Lara Sondern, Hannah M. Usemann, Britta Wenzel