von Julia Wessel
Halbzeit! Die aktuelle Spielzeit der Wuppertaler Bühnen hat die goldene Mitte erreicht und wartet zu diesem Anlass mit einer weiteren Premiere auf: Ab dem 10. Februar zeigt das gesamte Schauspielensemble im Opernhaus „Pension Schöller“ von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby – eine mehrfach verfilmte Komödie um Normalität und Wahn und um die Frage, ob eine Trennung der beiden eigentlich immer vonnöten ist. Als Philipp Klapproth die Pension Schöller besucht, ist er angesichts der bizarren Gäste sicher: Es handelt sich um eine Irrenanstalt! Der Gutshofbesitzer aus dem beschaulichen Kyritz macht sich einen Spaß daraus, den vermeintlichen Insassen eine blühende Zukunft zu versichern – und ist mehr als verwirrt, als diese kurze Zeit später auf seinem Landsitz auftauchen, um das Versprochene einzufordern.
Klapproth und die Gäste Schöllers entspringen verschiedenen Realitäten: den altbekannten Antagonisten Großstadt und Provinz. Dass diese Schauplätze grundverschiedene Lebensformen und Bewohner mit sich bringen, weiß Regisseur Alexander Marusch, der selbst aus einer kleinen ostdeutschen Gemeinde stammt und mittlerweile in Berlin wohnt, aus eigener Erfahrung. Um die Thematik von ihrem Staub zu befreien, hat er die Charaktere für seine Inszenierung in moderne Stereotype übertragen. So wird der Major von Mühlen zum im Militarismus hängengebliebenen 68er und Klapproths Neffe Alfred zum klassischen Berliner Hipster. Auf einer Art Dachterrasse bilden die exzentrischen Gäste der Pension das urbane Leben ab, das im zweiten Teil in einer skurrilen Kollision auf das ruhige Kyritzer Landleben trifft.
Dieser Kontrast wird durch das Auflösen einer kategorischen Unterscheidung zwischen Wahn und Normalität ergänzt: Mit Hilfe einer extrem körperlichen Übersetzung des Stoffs wird der dritte Akt ins regelrecht Albtraumhafte überzeichnet – Thomas Braus, selbst Meister des Wahnsinns, verspricht ein „Feuerwerk der Anarchie“ seitens der außergewöhnlichen Figuren. Rund 40% der sich im Original stark wiederholenden Szenen fielen der Bearbeitung des Werks zum Opfer. Die Inszenierung reduziert das 1890 uraufgeführte Stück auf seinen zeitgemäß anwendbaren Kern: die Feststellung, dass Normalität und Wahnsinn im Auge des Betrachters liegen. Alexander Marusch zufolge fordert seine Fassung des Stücks vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse eine kritische Auseinandersetzung mit dem vorherrschenden anti-liberalen Zeitgeist – und soll in der Überzeichnung der Kontraste nicht zuletzt eines: unterhalten!
Am Freitag, den 9. Februar findet um 19 Uhr zugunsten der AIDS-Hilfe Wuppertal eine öffentliche Generalprobe statt. Im Anschluss an die Premiere am 10. Februar lädt das Ensemble zur öffentlichen Premierenfeier ins Kronleuchterfoyer mit der Band Philis Virgos.
„Pension Schöller“ von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby
Bearbeitung von Jürgen Wölffer
Termine (alle im Opernhaus):
Fr. 09. Februar 2018 19:00 Uhr (öffentliche Generalprobe)
Sa. 10. Februar 2018 19:30 Uhr (Premiere mit anschließender Premierenfeier)
Mo. 12. Februar 2018 19:30 Uhr (Rosenmontags-Spezial mit anschließender Live-Musik im Kronleuchterfoyer)
Sa. 17. Februar 2018 19:30 Uhr
So. 25. Februar 2018 18:00 Uhr
Mi. 07. März 2018 19:30 Uhr
Sa. 17. März 2018 19:30 Uhr
So. 15. April 2018 16:00 Uhr
Sa. 21. April 2018 19:30 Uhr
Fr. 27. April 2018 19:30 Uhr
So. 24. Juni 2018 16:00 Uhr
Mi. 04. Juli 2018 19:30 Uhr
Inszenierung: Alexander Marusch
Bühne & Kostüme: Gregor Sturm
Musik: Christian Kuzio
Dramaturgie: Barbara Noth
Dramaturgieassistenz: Elisabeth Wahle
Regieassistenz: Barbara Büchmann
Inspizienz: Charlotte Bischoff
Hospitanz: Sarah Weidner
Besetzung:
von Mühlen, Major a.D.: Miko Greza
Franziska Schöller, Tochter von Schöller: Julia Reznik
Josephine Zillertal, Schriftstellerin: Philippine Pachl
Prof. Bernhardy, weltreisender Wissenschaftler: Konstantin Rickert
Alfred Klapproth: Alexander Peiler
Ida Klapproth: Lena Vogt
Philipp Klapproth: Stefan Walz
Schöller, Inhaber der Pension Schöller: Thomas Braus
Eugen, angehender Schauspieler und Mündel von Schöller: Martin Petschan