von Julia Wessel
Der kleine Veranstaltungsraum des Café Ada ist in das schummrige Licht verglaster Wandleuchten getaucht. Bunte Plakate aus vergangenen Zeiten zieren die nackten weißen Wände. In Blickrichtung der Bestuhlung sind auf kleiner Fläche schwarzweiße Fotografien der Kunststudentin Anna Zemlianski projiziert. Davor bildet ein Podium eine kleine Bühne. Das gemütliche Murmeln von Begrüßungen liegt im Raum, es werden weitere Stühle hereingetragen, eine junge Kellnerin nimmt Bestellungen auf. Dann tritt Matthias Rürup hinters Mikrofon und begrüßt mit sanfter Stimme die rund 30 Gäste im Namen von neolith.
Hinter dem klingenden Namen neolith verbirgt sich die Literaturwerkstatt der Bergischen Universität Wuppertal, die wöchentlich zu regen Diskussionen und konstruktivem Feedback für eigene literarische Texte in die Uni-Kneipe lädt. Bereits zum zweiten Mal hat die Redaktion außerdem ausgewählte Highlights aus zahlreichen Einsendungen in einem Printmagazin vereint, das seit Dezember 2017 erworben werden kann. Am vergangenen Freitag gewährten einige Autoren des Magazins im Rahmen einer Release-Lesung einen Einblick in die zweite Veröffentlichung. Nach der ersten Ausgabe mit dem Titel Fallhöhen lautet das aktuelle Thema Déjà-vu – ein Motiv, das sich in allen vorgetragenen und abgedruckten Texten wiederfindet. Trotz des einheitlichen Leitmotivs sind die Texte – eine ausgewogene Mischung aus Lyrik und Prosa – ebenso verschieden wie ihre Autoren.
Mal komisch, mal bitterernst, oft ganz alltäglich und immer sprachlich auf den Punkt präsentieren sich die Geschichten über schrullige Verwandte, zufällige Begegnungen, bergische Heimatstädte – und Déjà-vus. Diese offenbaren sich jedoch immer wieder auf neue Art und Weise: Sei es in der Heimkehr an den Schauplatz der Kindheit, in sich täglich wiederholenden Absurditäten oder im vermeintlichen Erkennen beinahe vergessener Freunde. Besonders spannend ist die breit gefächerte Palette an vertretenen Autoren, vom Wuppertaler Studenten Robin Smets, der sich aktuell als Poetry-Slammer einen Namen macht, bis hin zu erfahrenen und preisgekrönten Autoren wie Falk Andreas Funke und Sigune Schnabel.
Diese Melange verleiht dem Magazin – und durch die verschiedenen Vortragsweisen vor allem auch der Lesung – eine erfrischende Abwechslung in Ton und Thema. So präsentiert Jens Harguth seine Kurzprosa in breitem bergischen Dialekt und Marc Müller bleibt durch nachdrückliche Betonung und Gestik in Erinnerung. Gudrun Tossing, die wiederkehrend unter dem Heteronym Jeff Sailor arbeitet, begründet dies schlicht mit „Ich schreibe so viel, da ist eine Arbeitsteilung vonnöten“, während Harald Kappel, tagsüber Anästhesist, auf die Frage, wie diese beiden Berufe zusammenpassen amüsiert „Gar nicht!“ in den Raum ruft.
Mit wertschätzenden, beinahe liebevollen Worten führt Rürup in das Schaffen der Autoren ein und leitet das konzentrierte Publikum somit gekonnt durch den kurzweiligen Abend. Eine gelungene Veranstaltung, die in ruhiger Atmosphäre Gelegenheit bietet, die Autoren hinter den Texten zumindest flüchtig kennenzulernen und den geschriebenen Worten damit eine Stimme zu verleihen. Gleichzeitig weckt dieser Querschnitt die Neugier, auch die restlichen Beiträge des Magazins zu ergründen – auf der Suche nach weiteren Déjà-vus.
Die folgende neolith-Ausgabe wird im Herbst dieses Jahres unter dem Titel Unisex erscheinen.