Gerhard Falkner – Romeo oder Julia

Gerhard Falkner beschreibt in seinem Roman Romeo oder Julia die zu Beginn unerklärlichen Ereignisse, die sich in kurzen Abständen im Leben des Schriftstellers Kurt Prinzhorn ereignen. Was zunächst als eine seltsame Anekdote, die sowohl zum Grübeln als auch zum Schmunzeln anregt, beginnt, verwandelt sich immer mehr in eine unheimliche Verfolgung, deren Ursprung weit zurück liegt. Der Roman, der im Berlin Verlag erschien, schaffte es in diesem Jahr auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis.

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von Wiebke Martens

Während eines Kongresses findet Kurt in seinem Hotelzimmer in Innsbruck eine beträchtliche Menge an langen schwarzen Haaren, die auf unerklärliche Weise den Weg in sein Badezimmer gefunden haben. Da schnell klar wird, dass der Badewanne die Haare unmöglich selbst gewachsen sein können, wirkt es ganz so, als habe in seiner Abwesenheit jemand sein Hotelzimmer aufgesucht und sich dort ein Bad eingelassen, um es dann mit deutlichen Gebrauchsspuren wieder zu verlassen. Neben dem mysteriösen Auftauchen der Haare verschwinden auf nicht weniger unerklärliche Weise auch ein Schlüsselbund, mit einer nicht unerheblichen Anzahl an Schlüsseln, und einige Notizbücher des Schriftstellers.

Die Ereignisse im Innsbrucker Hotel finden keine schnelle Klärung, sorgen sie doch vielmehr für große Verwunderung unter den Anwesenden. Auch seine weitere Reise, die Kurt Prinzhorn nach Moskau führt, wirft mehr Rätsel auf, als gelöst werden, bevor die unheimliche Verfolgung durch eine vermeintlich unbekannte Person in Madrid ihr Ende findet.

Um eine Erklärung für die kuriosen Umstände zu finden, sieht sich der zunächst sehr ratlose Protagonist mit Erlebnissen aus seiner Vergangenheit konfrontiert.

„In mir aber wirbelten diese undeutlichen Worte eine Weile herum, als versuchten sie, irgendwo in meinem Gedächtnis einen Anhaltspunkt zu finden. Eine Erinnerung.“

Falkner beschreibt die mysteriösen Ereignisse, die dem Autor laut eigener Aussage zum Teil tatsächlich selbst widerfahren sind, aus der Sicht des Protagonisten Kurt. Oft wird dem Leser, aufgrund langer, verschachtelter Sätzen und ausführlicher Formulierungen, viel Konzentration abgefordert. Dennoch werden durch die vielen Umschreibungen und die großzügig verwendeten Metaphern die Abschweifungen sehr bildlich dargestellt.

„Alles, was von ihr blieb, waren Haare. Haare, die so schwarz waren, als wären sie mit der gleichen Wimperntusche gefärbt gewesen, mit deren Hilfe sie im Laufe unseres kurzen, aber beherzten Techtelmechtels alle meine Kissenbezüge mit den abwechslungsreichen Mustern ihrer Wimpernstempel bedruckt hatte, denn Zeit zum Abschminken gab es vor dem letzten Ins-Bett-Fallen so gut wie nie.“

Während der Dialoge mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten, die der Protagonist auf seinen Reisen trifft, erhöht sich das Tempo des Romans. Immer wieder treten kurze Anspielungen auf Literatur, Filme und Lieder auf, die den Leser nicht selten dazu verleiten, das ein oder andere Kapitel mit einer Melodie im Kopf, wie beispielsweise der von Nancy Sinatras Bang Bang (My baby shot me down), zu beenden.

Trotz der abschweifenden Formulierungen und Querverweise auf Kunst und Kultur gelingt es Falkner, die Lektüre nicht schwerfällig wirken zulassen. Die Geschichte fesselt den Leser, auch durch Humor und Spannung, bis zum unvorhergesehenen Schluss.